Erstes Wasserstoffnetz entsteht in Oberbayern

von Redaktion

Hohenwart – Es geschieht wohl nicht oft, dass im beschaulichen Hohenwart (Landkreis Pfaffenhofen) Premieren von bundesweiter Strahlkraft stattfinden. Und doch: „Ich freu mich narrisch, dass hier wahrscheinlich die erste Wasserstoffeinspeisung für Privathaushalte beginnt“ sagte Bürgermeister Jürgen Haindl gestern in einem Festzelt voller Vertreter der Gas- und Heizungswirtschaft.

Tatsächlich ist es ein Leuchtturmprojekt: Gemeinsam mit dem Stadtwerkeverbund Thüga hat der Versorger Energie Südbayern (ESB) einen Teil des lokalen Erdgasnetzes auf Wasserstoff umgestellt. Dieses soll ab Herbst spezielle Wasserstoff-Thermen betreiben. Das Versprechen: Man kann sein altes Heizsystem mit geringem Aufwand weiternutzen, nur klimaneutral. Für den Pilotversuch wurden zehn Haushalte angeschlossen.

ESB-Chef Marcus Böske betonte vor allem die einfache Umrüstung: „Unser Fokus sind die Netze und die Kunden. Und für beide können bestehende Erdgas-Systeme relativ kostengünstig umgerüstet werden. Dafür gibt es auch eine hohe Kundenakzeptanz.“

Hintergrund ist natürlich das umstrittene Heizungsgesetz. Während viele Kunden im Bestand die oft teurere Wärmepumpe scheuen, geht es für die Gasnetzbetreiber um ihre Geschäftsgrundlage. Sie haben viele Milliarden Euro an Leitungen in der Erde vergraben – die Stromheizungen nicht bräuchten. Oft ist es das Geld von Stadtwerken.

Dementsprechend wirbt die Gaswirtschaft für grünen Wasserstoff, der in modifizierten Gasthermen verbrannt werden kann. Der Energieträger wird unter Einsatz von Wind- oder Solarstrom aus Wasser hergestellt und ist sowohl klimaneutral, als auch schadstofffrei. Das Projekt in Hohenwart kann man als Gesellenstück verstehen: Sowohl Gasnetzbetreiber als auch Heizungsbauer wollen zeigen, dass sie den hochreaktiven Wasserstoff im Griff haben. Dabei ist Bayern führend: Die ESB ist nach eigenen Angaben einer von nur zwei deutschen Betrieben, die zertifiziert ein Wasserstoffnetz betreiben dürfen. Das Mini-Netz wird aus einem Stahltank außerhalb der Ortschaft gespeist. Perspektivisch soll Wasserstoff ab Anfang der 2030er-Jahre über Pipelines auf verschiedenen Wegen nach Deutschland importiert werden.

Für Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger war die Einweihung ein Wohlfühl-Termin: Im Gegensatz zu Teilen der Bundesregierung will er Wasserstoff auch in Pkw und eben Privatheizungen einsetzen, wenn es sich lohne. Volkswirtschaftlich sei es eine Sünde, das Netz nicht weiter zu nutzen: „Oft heißt es, wer an Wasserstoff in der Heizung glaubt, hat nicht in Physik aufgepasst, der ist ein Depp. Aber hier sehen wir ja, dass es funktioniert.“

Tatsächlich bemängeln Kritiker aber weniger die technische Machbarkeit, sondern die Kosten: Weil Wasserstoff unter Energieverlusten aus Strom gewonnen wird, kostet er ein Vielfaches von Erdgas. Studien deuten an, dass die Preise hoch bleiben könnten. Damit wäre etwa die Kraft-Wärme-Kopplung deutlich günstiger. ESB-Chef Böske kennt die Studien, kontert aber: „Wie viele Prognosen aus solchen Studien treten denn am Ende wirklich ein?“

Die Gasnetzbetreiber zeigen in Hohenwart, dass Wasserstoff in der Heizung technisch möglich ist. Ob es ökonomisch ist, wird jeweils eine regionale Abwägung der Kosten von Infrastruktur, Brennstoff und Sanierung zeigen müssen. MATTHIAS SCHNEIDER

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