München – Was die Stimmung in der Immobilienbranche betrifft, nimmt Stefan Rummel kein Blatt vor den Mund: „Hier sprechen alle von einer Krise, das redet niemand schön“, sagte gestern der Chef der Messe München. Die Messe veranstaltet ab dem 4. Oktober die Expo Real, eine der größten Immobilienmessen der Welt. Mit 1850 Ausstellern aus 36 Ländern und 20 000 erwarteten Besuchern spürt die Messe selbst die Krise zwar noch nicht, doch bei den Ausstellern sei das Thema omnipräsent, so Rummel.
Für die Branche kommt mit Inflation, hohen Baukosten, gestiegenen Zinsen und dem deutschen Hickhack um Dämmungsvorschriften und Heizgesetzen gerade wirklich viel zusammen. Die Folgen zeigen sich nahezu täglich. So wurde am Mittwoch bekannt, dass der Immobilienkonzern Vonovia Planungen für rund 60 000 Wohnungen in der Schublade hat, diese vorerst aber aus Kostengründen nicht baut. Man hoffe, dass sich Bauen „bald wieder lohnt und rechnet“, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bis dahin heißt es abwarten, die Krise aussitzen.
Dass das kein Einzelfall ist, das zeigt auch eine Umfrage, die die Messe München im Vorfeld der Expo Real unter den deutschen Ausstellern gemacht hat. Demnach stoppt jede zweite Firma neue Projektentwicklungen, bei über sieben von zehn Firmen kommt es zu Verzögerungen bei Bauprojekten. Ein Drittel denkt mehr oder weniger konkret darüber nach, sein Geschäftsmodell zu ändern, bei 16 Prozent ist sogar eine Insolvenz ein Thema. Die Lage der Branche beurteilen dagegen nur noch sechs Prozent als gut. Besonders mies ist sie offenbar in Deutschland. Denn während viele deutsche Investoren die Chancen auf den Immobilienmärkten im Rest Europas und in den USA weiter als gut einschätzen, bezeichnete niemand den deutschen Markt als vielversprechend.
Woran das liegt? Darüber kann auch die Messe nur spekulieren, das wurde nicht abgefragt. Wahrscheinlich ist, dass es mit dem Gezerre in Deutschland um die Klimaschutzvorgaben zu tun hat. Das legt jedenfalls eine Umfrage des Münchner Finanzierungsvermittlers Interhyp unter potenziellen Käufern nahe, die ebenfalls am Mittwoch erschienen ist. Dort habe es in Antworten potenzieller Käufer oft geheißen: „Das Heizungsgesetz hat mich verunsichert, ich weiß überhaupt nicht, was ich tun muss, was ich tun darf, was das kostet“, sagte Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Noch ein zweites Problem zeigt die Interhyp-Studie: Immobilien sind für die meisten Käufer längst unerschwinglich. 84 Prozent der Befragten gaben an, dass der Traum vom Wohneigentum für sie finanziell nicht mehr verwirklichbar sei. Dazu passt: Gerade erst stufte die Schweizer Bank UBS München trotz jüngster Preisrückgänge als einen Standort ein, der so überteuert ist wie sonst kaum einer auf der Welt. Investoren brauchen hier fast 40 Jahre, um den reinen Kaufpreis einer Immobilie über Mieteinnahmen wieder hereinzubekommen. Länger dauert es nur in Zürich, Genf, Hongkong und Tel Aviv.
„Wirtschaftliche, finanzielle und andere Unsicherheiten haben inzwischen nahezu alles verändert, wenn es um Immobilien, Bauen und Investieren geht“, sagte Messechef Rummel. „Damit verbunden sind aber natürlich immer auch Chancen.“ Die sieht er etwa beim klimaschonenden Bauen. Rund ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen entstehen im Gebäudesektor – fast doppelt so viel wie im Verkehr. Deshalb drängt die Politik darauf, diese bald zu reduzieren. Heute mag das zu Unsicherheiten führen, mittelfristig werde das umweltbewusste Bauen aber zum guten Geschäft, ist sich die Messe sicher. Nun hält sie erstmals im Rahmen der Expo Real eine Sonderschau zum Thema Dekarbonisierung bei Immobilen ab.