„Mobilität Grundlage des Wohlstands“

von Redaktion

Eberhard von Kuenheim, der Mann der BMW groß machte, wird heute 95 Jahre alt

München – Er prägte die Entwicklung des Münchner Autobauers BMW zum globalen Konzern wie kein anderer: Eberhard von Kuenheim leitete das Unternehmen 23 Jahre lang in einer wichtigen Umbruchphase und war weitere sechs Jahre Vorsitzender des Aufsichtsrats. Am heutigen Montag wird Eberhard von Kuenheim 95 Jahre alt.

Als der erst 41-Jährige am Jahresanfang 1970 den Vorstandsvorsitz von BMW übernahm, standen viele Wetten gegen ihn. Vor allem Vertriebschef Paul G. Hahnemann, der in der Öffentlichkeit als der starke Mann beim Münchner Automobilhersteller galt, machte aus seiner Ablehnung des „teuren Lehrlings“ kein Geheimnis.

Doch Kuenheim setzte sich durch, Hahnemann musste gehen. Die Personalentscheidung erwies sich als Glücksfall für das Unternehmen. Der meist zurückhaltend auftretende langjährige Manager wird heute stärker mit der Erfolgsgeschichte von BMW in Verbindung gebracht als jede andere Persönlichkeit. Der Umsatz stieg in den 23 Jahren unter Kuenheim von 1,7 Milliarden D-Mark im Jahr auf 31 Milliarden im Jahr 1992. Die Zahl der Arbeitsplätze hat sich mehr als verdreifacht von 23 000 auf 74 000.

Vor allem aber erweiterte sich das Fahrzeug-Portfolio. Der Einstieg in die Oberklasse mit Sechszylindermotoren war eine Kampfansage an Mercedes. Die heute noch gültige Klasseneinteilung vom kompakten 3er bis zum luxuriösen 7er (heute 1er bis 7er) wurde damals eingeführt. Und Kuenheim formte BMW vom regionalen Automobilhersteller zum internationalen Konzern.

Die Expansion fand zunächst in Bayern statt. Mitten in der Ölkrise 1973 mit strengen Sonntagsfahrverboten eröffnete BMW allen Unkenrufen zum Trotz ein neues Werk in Dingolfing, das für viele Jahrzehnte das mit Abstand größte des gesamten Konzerns blieb – und das das strukturschwache Niederbayern zu Wohlstand führte.

Unter Kuenheims Regie entstanden BMW-Werke auch in Steyr (Österreich), Rosslyn (Südafrika) und Spartanburg (USA). In Regensburg gelang es Kuenheim gemeinsam mit dem späteren langjährigen Betriebsratsvorsitzenden Manfred Schoch, für Deutschland ein Modell zu entwickeln, das Betriebszeiten des Werks (sechs Tage oder 99 Stunden pro Woche) und individuelle Arbeitszeiten (vier Tage und 36 Stunden pro Woche) entkoppelte – um Arbeit an den teuren deutschen Standorten zu halten.

Der Unternehmenslenker hatte früh auch die andere Seite kennengelernt. Auf eine Kindheit im Wohlstand, als Spross einer ostpreußischen Adelsdynastie folgten nach 1945 Zeiten voller Entbehrungen. Mittellos, heimatlos und als Vollwaise musste der erst 16-Jährige sein Leben selbst in die Hand nehmen. Das Maschinenbau-Studium finanzierte er durch Schichtarbeit bei Bosch.

Früh hatte Kuenheim eine erste Verbindung zur Industriellen-Familie Quandt. Beim Studium lernte er Harald Quandt kennen, bei dem er sich 1965 um eine Stelle bewarb. Nach dem Tod von Quandt (er starb bei einem Flugzeugabsturz) meldete sich dessen älteren Bruder Herbert bei Eberhard von Kuenheim am Telefon: „Kommen Sie am übernächsten Sonntag zu mir um elf Uhr in mein Büro.“ Jener Herbert Quandt, der fünf Jahre vorher durch seinen Einstieg als Großaktionär BMW vor einer Übernahme durch Mercedes bewahrt hatte. Fünf Jahre später berief Herbert Quandt den 41-Jährigen auf den Chefsessel von BMW.

Mit Autos hatte Eberhard vor Kuenheim bis dahin nicht viel zu tun. Doch er lernte schnell. Weitaus schneller als Skeptiker vorher erwartet hatten.

Ein Satz von ihm, der so gar nicht zum aktuellen Zeitgeist passt, sollte man im Gedächtnis behalten: „Mobilität von Menschen und Gütern ist nicht Folge, sondern Grundlage unseres Wohlstands.“

MARTIN PREM

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