München – Moderne Autos sind komfortabel. Per App kann man sie etwa vorheizen, den Ladestand prüfen oder persönliche Einstellungen speichern. Steigt man ein, verbindet man sein Telefon, hört seine Lieblingsmusik, empfängt und verschickt Nachrichten. Und auch auf der Fahrt macht das Auto vieles selbst: Es navigiert und es überwacht mit Sensoren, Kameras und Mikrofonen den Verkehr, den Fahrzeuginnenraum und die Insassen – und warnt etwa den Fahrer, wenn er zu schnell fährt, die Spur nicht hält oder müde wird.
Das alles macht Reisen angenehm – hilft Autobauern aber auch, Unmengen an Daten über ihre Kunden zu sammeln. Dabei werden offenbar sogar Dinge wie das Sexualleben, der soziale Hintergrund, die Herkunft oder das Einkommen nicht ausgeklammert. Davor warnt die gemeinnützige Mozilla Foundation, die sich das Thema Datenschutz auf die Fahne geschrieben hat. Sie hat sich die Nutzungsverträge von 25 Automarken angesehen.
„Autos sind in puncto Datenschutz die übelste Produktkategorie, die wir je getestet haben“, so das Urteil. Jede Marke sammle „mehr personenbezogene Daten als nötig und verwendet diese Informationen für einen anderen Zweck als den Betrieb Ihres Fahrzeugs“. Acht von zehn Herstellern dürfen diese Daten laut Vertrag weitergeben. Jeder Zweite würde theoretisch auch staatlichen Stellen Zugriff erlauben.
Was gesammelt wird, geht oft über Informationen wie Fahrprofile, Routen oder die Lieblingsmusik hinaus, die im Auto selbst gesammelt werden. Nutze man die App eines Herstellers, sei das ein perfektes Einfallstor, um alle möglichen Daten vom Telefon abzugreifen, so Mozilla. Auch Kundendaten aus dem Autohaus werden wohl teils verwertet, etwa das Gehalt des Kunden, sofern man das für einen Kredit offenlegt.
Die genügsamsten Datenkraken sind dabei noch die europäischen Hersteller Renault und Dacia. Auch bei BMW halte sich der Appetit auf Privates wenigstens halbwegs im Rahmen, vor allem, wenn man die My BMW App nicht nutze. VW, Audi und Mercedes finden sich etwa im Mittelfeld der Auswertung.
Am neugierigsten: Tesla, Nissan und Hyundai. Die Hyundai-App interessiert etwa, welche Seiten man im Internet besucht und was man einkauft. Auch den „Behindertenstatus“, die Nationalität, „medizinische Informationen“ oder den Fingerabdruck will Hyundai und verkauft das alles gegebenenfalls weiter. Bei Tesla äußert Mozilla Bedenken, ob neben den Insassen mit den Fahrzeugkameras auch Passanten ausspioniert werden. Und Nissan habe „die gruseligste und irrsinnigste Datenschutzrichtlinie“, welche die Tester jemals gesehen haben. So dürfen laut Mozilla auch sexuelle Aktivitäten und Gesundheitsdaten gesammelt werden. Daraus werde ein Profil über den Nutzer erstellt, „das dessen Vorlieben, Eigenschaften, psychologische Tendenzen, Prädispositionen, Verhalten, Einstellungen, Intelligenz, Fähigkeiten und Eignungen widerspiegelt“.
Wichtig: Diese Sätze stammen aus der amerikanischen Datenschutzerklärung von Nissan. Ob der japanische Hersteller in Europa, wo strengere Regeln gelten, ähnlich vorgeht, gibt die Stiftung nicht an. Ohnehin sind nicht alle Ergebnisse komplett vergleichbar, da je nach Marke teils europäische und teils US-Verträge herangezogen wurden. Die Verlockung für die Autobauer, alles auszuschöpfen, dürfte aber groß sein. Laut der Unternehmensberatung McKinsey könnte der Markt für Daten aus dem Auto bis 2030 auf 750 Milliarden Dollar wachsen.
Ganz wehrlos sind die Nutzer aber nicht. Vor allem die Fahrzeugapps sollten Käufer möglichst meiden oder deren Berechtigung beschneiden, rät Mozilla. Auch das Auto selbst soll möglichst wenig Daten übertragen – sofern das geht. Lehnt man etwa bei Tesla eine Datenübertragung ab, könne dies dazu führen, „dass Ihr Fahrzeug eine eingeschränkte Funktionalität aufweist, ernsthaft beschädigt wird oder nicht mehr einsatzfähig ist“, warnt der US-Hersteller.