Allianz fordert Zugriff auf Autodaten

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

München – Batteriekapazität, Fahrdaten, Hauptrouten, die Lieblingsmusik, Telefonate oder die Anzahl der Personen, die im Auto sitzt: Neue Autos sammeln Massen an Daten über ihre Nutzer. Bisher behalten die Hersteller dieses Herrschaftswissen für sich – oder verkaufen es weiter. Geht es nach der Allianz, ist die Zeit der Datenhoheit für die Autokonzerne aber bald vorbei. Der Münchner Versicherer fordert, dass Hersteller die Daten teilen sollen, und bezieht sich dabei auf den „EU Data Act“, der das ab 2025 vorschreiben könnte.

„Wir begrüßen das EU-Gesetz, es schafft einen Marktplatz für Daten“, sagte Frank Sommerfeld, Chef der Allianz Versicherung auf dem jährlichen Autotag des Konzerns. Und er sieht vielfältige Anwendungen, zum Beispiel bei einem Autounfall: „Die Daten werden im Moment des Unfalls schon übermittelt“, so Sommerfeld. „Während ich quasi aus dem Auto krabbele, sind der Abschleppwagen und gegebenenfalls die Rettungskräfte schon unterwegs, der Termin in der Werkstatt ist vereinbart, der Leihwagen gebucht.“ Bisher hätten die Kunden die Versicherung über einen Unfall informieren müssen, bald könne die Versicherung alles selbst automatisch regeln.

Die Allianz sieht durch die neuen Daten aber auch ganz neue Möglichkeiten bei den sogenannten Telematik-Tarifen. Bei ihnen richtet sich die Höhe der Versicherungsprämie nicht nur nach Faktoren wie der Kilometerleistung, den schadensfreien Jahren oder dem Wohnort des Versicherten. Es wird auch einkalkuliert, ob er ein guter Fahrer ist. „Pay as you drive“, zahl wie du fährst, heißt das Modell. Dafür müssen sich Fahrer bisher eine App auf dem Handy installieren oder eine Blackbox ins Auto bauen. Die Geräte messen, wie schnell er fährt, ob er scharf bremst oder sich Regen und Schnee anpasst. Daraus wird ein Fahrerwert errechnet, ein Score, der maßgeblich mit in die Preiskalkulation einfließt.

Die direkten Daten aus dem Auto würden den Versicherern dabei viel tiefere Einblicke gewähren als bisher. Sie zeigen etwa, ob der Müdigkeitswarner öfter zu einer Pause rät, der Spurhalteassistent dauerhaft ausgeschaltet ist oder Tempolimits konsequent ignoriert werden. Damit könne man „deutlich risikogerechtere Versicherungsangebote kalkulieren, die sowohl die Fahrweise von Fahrerinnen und Fahrern als auch die Ausstattung des Fahrzeugs mit Sicherheitssystemen – und ob diese ein- oder ausgeschaltet sind – berücksichtigen“, so Allianz-Vorstandsmitglied Hans-Peter Röhler auf dem Autotag.

Laut Allianz sind die Kunden dafür aufgeschlossen. Sie hat dafür extra eine Umfrage in Auftrag gegeben. Ergebnis: Jeder zweite Deutsche würde seine Autodaten an die Versicherung weitergeben. Auch Autoclubs und Verbraucherschützer finden das im Prinzip gut. Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass Kunden nicht wissen würden, welche Daten im Auto gesammelt werden und wer sie bekommt, so der ADAC. Es müsse sichergestellt werden, „dass Fahrzeughalter Hoheit über ihre Daten erhalten und selbst entscheiden können, was weitergegeben wird.“

Auch Telematik-Tarife auf Basis der Autodaten seien in Ordnung, sofern die Daten nur dazu verwendet würden, einen Fahrerwert zu errechnen, sagt Marion Jungbluth von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Zum Kronzeugen der Versicherung gegen den Fahrer, der übermüdet oder zu schnell unterwegs war, dürfe das Auto aber nicht werden. „Bisher können Versicherer nicht legal auf personenbezogene Autodaten zugreifen, die Regelverstöße oder Müdigkeit dokumentieren“, so Jungbluth. „Bei Unfällen klärt die Polizei die Schuldfrage, auf dieser Grundlage erfolgt die Schadensregulierung.“ Das müsse auch so bleiben.

Der Datenschatz könnte aber Begehrlichkeiten wecken. Vorstandsmitglied Röhler sagte etwa, die „Sensor- und Kameradaten können für die ordnungsgemäße, korrekte und faire Untersuchung eines Unfalls und zur Haftungsklärung verwendet werden“. Auf Nachfrage, ob damit gemeint sei, dass Versicherer Unfallfahrern auf Basis der Daten eine Erstattung des Schadens verweigern könnten, erklärte die Allianz: Eine Verwertung zur Aufklärung der Schuldfrage im Schadenfall setze die Einwilligung des Betroffenen voraus. „Aktuell planen wir nicht, solche Daten auch dazu zu nutzen, unseren Kundinnen und Kunden den Versicherungsschutz zu versagen.“

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