München – Rund 3700 Unternehmen aus dem Freistaat befragt der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) einmal im Quartal darüber, wie ihre Geschäfte laufen. Dieses Mal ist das Ergebnis der Umfrage alarmierend: „Die bayerische Wirtschaft ist weiter auf Talfahrt“, sagte Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der BIHK am Donnerstag in München. „Anders als der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sehen wir die Talstation noch nicht erreicht.“
Dabei beurteilen Bayerns Betriebe ihre momente Situation auf den ersten Blick gar nicht so schlecht: Bei etwa jeder dritten befragten Firma hat sich die Lage verbessert, bei jeder fünften verschlechtert. Das ist eine klare Eintrübung im Vergleich zur letzten Erhebung, bewegt sich aber im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Auffällig ist jedoch, dass mit Ausnahme des Tourismus, der auf einen starken Sommer zurückblickt, alle Branchen mit wachsenden Problemen zu kämpfen haben. So leidet die Industrie unter der Schwäche der Weltwirtschaft, das Baugewerbe unter den gestiegenen Zinsen, der Handel unter einer Konsumflaute bei den inflationsgebeutelten Bürgern und der Dienstleistungssektor unter der Schwäche in allen anderen Bereichen.
Bedenklich ist aber, dass die Unternehmen kein Licht am Ende des Tunnels sehen. Für die kommenden Monate geht nur noch etwa jedes sechste Unternehmen in Bayern von einer Besserung aus, jedes dritte erwartet eine Verschlechterung. Insgesamt stürzten die Geschäftserwartungen damit auf den tiefsten Stand seit der Corona-Pandemie ab. Angesichts befürchteter Rückgänge bei Umsatz und Gewinn halten sich die Unternehmen auch mit Investitionen zurück und würden langsam sogar anfangen, Beschäftigte zu kündigen.
Die Risiken, die Bayerns Betriebe für ihre Arbeit sehen, haben sich dabei etwas verschoben. Der Arbeitskräftemangel wird zwar nach wie vor als großes Problem benannt. Die Materialknappheit und die hohen Energiepreise rücken hingegen zumindest etwas in den Hintergrund. Demgegenüber sind mittlerweile sechs von zehn Firmen mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen unzufrieden – so viele wie noch nie. Was genau damit gemeint ist, konnten diese selbst angeben. Dabei wurde so gut wie alles genannt: von Arbeitskräftemangel, Inflation und geopolitischen Spannungen über hohe Energiekosten bis zu Steuern, Bürokratie und fehlender Planungssicherheit.
Gößl von der BIHK hob strukturelle Faktoren als immer größere Belastung hervor. Während auch bei früheren Pressekonferenzen der Handelskammer Kritik an der Politik, Berlin und Brüssel zum Programm gehörten, gab es dieses Mal eine regelrechte Wutrede: „Es gibt immer mehr Regeln und Vorschriften“, sagte Gößl und bezog sich dabei auf Dinge wie Bauvorschriften, Lieferkettennachweise, Energierichtlinien oder die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Spreche man mit Unternehmern über diese Themen, werde es schnell emotional. „Vor allem für kleinere und mittelständische Betriebe ist dieser Regulierungswahn nicht mehr zu bewältigen.“
Gößl sagte, es entstehe der Eindruck, dass die Politik Investitionen verhindern wolle. Es seien dringend Reformen nötig, die über ein „Klein-Klein“ hinausgehen. So forderte die BIHK den massiven Abbau von Bürokratie und Verwaltungsvorschriften sowie eine Reform der Unternehmenssteuer. Außerdem müssten die Erneuerbaren Energien und die Stromnetze ausgebaut werden – auch und vor allem in Bayern.