Berlin/München – Fragt man beim Transportunternehmen Hörndl in Forstinning bei München, was Bayerns Fuhrunternehmer von der Mauterhöhung für Lkw halten, hört man eine klare Antwort: „Wir sind nur noch sprachlos“, sagt Hubert Hörndl, Chef des 1920 gegründeten Familienunternehmens. „Eine Erhöhung um 83 Prozent, das ist brutal.“ 220 Laster hat seine Firma, er rechnet ab Dezember mit Mehrkosten von 300 000 Euro – pro Monat, nicht Jahr. „Das kommt jetzt auf die höheren Gehälter, Zinsen, Versicherungsprämien und Dieselkosten obendrauf“, sagt er. „Viele Unternehmen werden das nicht mehr stemmen können.“
Lange hatte die Transportbranche protestiert, nun ist es Realität: Der Bundestag hat am Freitag beschlossen, die Lkw-Maut anzuheben. Ab Dezember sollen 200 Euro je Tonne CO2 fällig werden. Damit steigt der Mautsatz von 19 auf 35 Cent je Kilometer, eine Erhöhung um 83 Prozent. Ab Juli soll die Maut auch für 3,5-Tonner gelten, Handwerker ausgenommen. Bis 2027 will der Bund so 30,5 Milliarden Euro einnehmen, im Schnitt 7,6 Milliarden pro Jahr. Ein Fünftel oder insgesamt sechs Milliarden davon werden auf Bayerns Straßen anfallen. Für die rund 4000 Fuhrunternehmer im Freistaat mit ihren geschätzt 50 000 Fahrzeugen wird das zur enormen Belastung.
Entsprechend sauer ist die Branche. „Für kleinere Unternehmen stellt sich damit die Existenzfrage“, warnt Sebastian Lechner, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Die Kosten im Transportgeschäft seien hoch, die Margen klein. Da bleibe gar nichts anderes übrig, als sich die Maut komplett von den Kunden zurückzuholen, warnt Lechner. Sein Verband hat die Mehrkosten für Verbraucher schon kalkuliert: 115 Euro pro Jahr und Bürger, 460 Euro je vierköpfiger Familie. „Wir alle werden die Mauterhöhung bei jedem Gang zum Supermarkt und jedem Kasten Bier spüren“, sagt Lechner. „Die Maut degradiert uns zum Abgabeneintreiber für den Staat.“
Doch nicht nur die Höhe der Abgabe ärgert Lechner. Die Maut wird schon im Dezember eingeführt, obwohl viele Firmen Verträge für ganze Kalenderjahre vereinbaren würden. „Nun müssen wir mitten im Weihnachtsgeschäft nachverhandeln.“ Zudem kommt im Januar als Zusatzbelastung die höhere CO2-Abgabe auf Diesel. „Im Koalitionsvertrag wurde diese Doppelbelastung noch ausgeschlossen“, schimpft Lechner. „Wir wurden belogen.“
Die Bundesregierung will mit der höheren Abgabe mehr Klimaschutz erreichen. Momentan werden 85 Prozent der Gütermenge auf der Straße transportiert. Über ein Viertel der CO2-Emissionen auf der Straße stammen aus dem Schwerlastverkehr. Je teurer der Transport von Gütern auf der Straße wird, desto wahrscheinlich ist der Umstieg auf die Schiene, so das Kalkül. Deshalb soll etwa die Hälfte der Mauteinnahmen in den Ausbau des Schienenverkehrs fließen. Da Elektro-Lkw bis 2025 von der Maut befreit sind, soll die Abgabe die Fuhrunternehmer außerdem motivieren, möglichst bald auf strombetriebene Fahrzeuge umzusteigen.
Sebastian Lechner vom Transportverband glaubt aber gar nicht, dass der Umstieg wirklich vorgesehen ist. „Die 30 Milliarden sind bis 2027 fest im Bundeshaushalt eingeplant“, erklärt er. „Der Bund weiß ganz genau, dass es bisher weder verfügbare E-Modelle noch eine wenigstens rudimentäre Ladeinfrastruktur gibt. Wir sind noch viele Jahre auf unsere Dieselfahrzeuge angewiesen.“
Auch Unternehmer Hörndl hält das Vorgehen für „völlig realitätsfern“. Einen Hersteller, von dem er in absehbarer Zeit 220 E-Trucks bekomme, gäbe es nicht, von den Abermillionen an Kosten mal abgesehen. Und der Aufbau einer Ladestruktur auf dem Gelände würde samt Genehmigungen theoretisch zwei bis drei Jahre dauern und sei praktisch gar nicht möglich, weil die Stromkapazität fehle, berichtet er. „Das geht nicht“, bilanziert Hörndl. „Wir fahren schon öfter mit Synthetiksprit aus Pflanzen- und Tierabfällen, der 90 Prozent CO2 einspart“, erzählt er. Der sei preislich akzeptabel. „Wenn man sofort etwas für die Umwelt tun will, sollte man lieber das fördern.“