„Beinhart, aber nicht bescheuert“

von Redaktion

INTERVIEW GDL-Chef Weselsky zu Bahnstreiks an Weihnachten – Tarifverhandlung unter Druck

München/Berlin – Nach Warnstreiks im Frühjahr müssen sich Bahnfahrer nun auch zur Weihnachtszeit auf stehende Züge einrichten. Denn am 9. November beginnt die Tarifrunde zwischen der Deutschen Bahn (DB) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Die GDL fordert eine 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich sowie 555 Euro mehr für alle. GDL-Chef Claus Weselsky will mit Streiks nicht lange zaudern – auch in den Weihnachtsferien. Zugleich ließ der Gewerkschaftschef erkennen, dass die Feiertage selbst wohl von Streiks ausgenommen wären: „Man sagt zwar, dass ich beinhart, aber nie, dass ich bescheuert bin.“

Sie wollen eine schnelle Urabstimmung über unbefristete Bahnstreiks. Bahnvorstand Martin Seiler schlägt eine Art Schlichtung schon vor Verhandlungsbeginn vor. Was ist da los bei der Bahn?

Der Verhandlungsführer der DB verweigert die Arbeit. Er sollte seine Pflichten erledigen und verhandeln. Alles andere ist unanständig bei einem Salär von 1,5 Millionen Euro, die er im vergangenen Jahr bekommen hat. Man kann daran erkennen, dass die Bahn selbst davon ausgeht, dass es zu einem Konflikt kommt.

Ist es nicht auch ein Friedensangebot im Sinne der Kunden, die in der Weihnachtszeit reisen möchten?

Das beste Friedensangebot wäre ein Angebot bei den Verhandlungen am 9. November, das auf unsere Forderungen eingeht. Doch die DB ist nicht bereit, über die Arbeitszeit zu verhandeln. Herr Seiler hat einfach vier Termine bis in den Januar hinein benannt, und einen Weihnachtsfrieden gefordert. Bisher war es Gepflogenheit, dass die beiden Verhandlungsführer Termine vereinbaren. Das ist nicht mehr so. Die Korrespondenz findet nur noch schriftlich statt.

Das Tischtuch zwischen Ihnen und Martin Seiler ist also zerschnitten?

Das kann man so sagen. Es ist erkennbar, dass er kein Interesse an Verhandlungen hat. Er wollte 14 Tage Weihnachtsfrieden. Darauf musste ich antworten, dass wir das vom Verhandlungsverlauf abhängig machen, nicht von seiner Wunschliste.

Es läuft also alles auf einen Arbeitskampf hinaus?

Ich bin gespannt auf den 9. November und was der Arbeitgeber an Angeboten bringt. Der Verhandlungsführer muss sich Gedanken machen, wie man zueinander kommt. Herr Seiler spricht von 50 Prozent Mehrkosten durch unsere Forderungen. In einer anderen Tarifrunde waren wir schon einmal bei 67 Prozent und haben uns trotzdem verständigt. Er will wahrscheinlich den Abschluss der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit uns machen. Das ist mit uns nicht drin.

Die EVG hat eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro und 410 Euro mehr für alle Beschäftigten vereinbart. Das ist doch nicht schlecht?

Die EVG hat 20 Jahre lang keine Arbeitszeitverkürzung gefordert. Wir fordern die 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter, weil es den Bedürfnissen unserer Mitglieder entspricht.

Sie wollten prüfen, ob Sie eine Urabstimmung vorziehen können, um gleich in einen unbefristeten Streik zu ziehen, wenn die Arbeitgeber nicht auf Ihre Forderungen eingehen. Was hat die Prüfung ergeben?

Die Prüfung hat ergeben, dass wir wenigstens schon einmal verhandelt haben müssen, die Verhandlungen abgebrochen oder als gescheitert erklärt werden. Wir haben ein Interesse an einem schnellen Ergebnis. Wer glaubt denn, dass wir so ein Theater machen, wie die DB mit ihrer Hausgewerkschaft der Welt vorgespielt hat? Streiks, die vom Arbeitgeber befördert worden sind. Der Arbeitgeber hat den Fernverkehr angehalten, der hat den Regionalverkehr angehalten und nicht die EVG-Mitglieder. Von denen sind nur im Promillebereich Mitglieder in den Arbeitskampf eingetreten.

Können Sie die Verhandlungen schon beim ersten Treffen als gescheitert erklären?

Das kann ich nicht vorhersehen. Wir würden aus zwei Gründen so schnell wie möglich eine Urabstimmung einleiten. Der erste Grund ist, dass man sich nichts vormachen muss. Wenn die eine Seite sagt, die Arbeitszeitverkürzung ist nicht drin, dann wissen Sie, dass dies auf dem Verhandlungswege nicht zu erreichen ist. Also müssen Sie Druck machen. Die zweite Seite ist, dass wir uns rechtssicher machen müssen. Und das schaffen wir nur mit einer Urabstimmung.

Müssen sich die Fahrgäste zu Weihnachten auf Streiks einstellen?

Das will ich nicht ausschließen. Wenn Sie sagen an Weihnachten selbst, äußere ich mich nicht dazu. Man sagt zwar, dass ich beinhart, aber nie, dass ich bescheuert bin.

Interview: Wolfang Mulke

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