München/Wien – René Benko hat fertig. Das meldete die österreichische „Kronen Zeitung“ am Freitagnachmittag. Weil der Druck seiner wichtigsten Investoren zu groß wurde, zieht sich der umstrittene Tiroler Immobilienmogul aus seinem eigenen Konzern zurück, zu dem zahlreiche große Gebäude in den Innenstädten von München, Berlin, Wien oder Hamburg gehören. Übernehmen wird stattdessen der Sanierungsexperte Arndt Geiwitz. Der Betriebswirt wurde als Insolvenzverwalter bei der Pleite der Drogeriekette Schlecker bekannt und hat auch die Insolvenz der zu Benkos Signa Holding gehörenden Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof begleitet.
Auf Geiwitz wartet nun ein weiterer anstrengender Job: Die Signa Holding, ein irrwitziges Geflecht aus Firmen, Töchtern und Unterfirmen, die sich gegenseitig Geld geliehen und möglicherweise auch Kredite besichert haben, ist in äußerst bedenklicher Schieflage. Letztes Jahr soll Signa eine halbe Milliarde Euro versenkt haben, in diesem Sommer hatte die EU-Bankenaufsicht sogar eine Sonderprüfung für Institute angeordnet, die Kredite an Signa vergeben hatten – ein einzigartiger Vorgang. In den letzten Tagen ging es dann Schlag auf Schlag: Beim Hamburger Elbtower, der einmal eines der größten deutschen Hochhäusern werden soll, wurde der Bau eingestellt, weil Zahlungen von Signa ausstehen. Fast zeitgleich meldete die Signa Sports Holding mit ihren Sporthändlern Insolvenz an, weil sie kein Kapital mehr vom Mutterkonzern bekam. Das Traditionshaus Sportscheck aus München, das ebenfalls zu Signa gehörte, wurde zuvor noch schnell an die britische Frasers-Group verkauft.
Das alles war offenbar zu viel für die illustren Investoren, die Benkos Imperium mit ihrem Kapital stützen – auch, weil sie sich von Benko schlecht informiert fühlten. Laut „Spiegel“ sollen sich Schokobaron Ernst Tanner von Lindt & Sprüngli, Kaffeemaschinen-Produzent Arthur Eugster, Baulöwe und Strabag-Großaktionär Hans Peter Haselsteiner, Fressnapf-Gründer Torsten Toeller sowie Mitglieder der südamerikanischen Logistik-Dynastie Arduini am Dienstag mit Geiwitz zu einem Videocall getroffen haben. Danach schrieben sie laut „Handelsblatt“ einen Brandbrief an Benko, in dem sie forderten, dass er seinen Chefsessel bei Signa an Geiwitz übergeben muss.
Auch wenn der Putsch erfolgreich war, stellt sich nun die Frage, wie es für das Imperium weitergeht. Benko hatte für viele Milliarden auf der ganzen Welt riesige Gebäudekomplexe wie das Kadewe in Berlin, das Chrysler Building in New York, das Kaufhaus Lamarr in Wien oder die Kette Galeria Karstadt Kaufhaus mit ihren prestigeträchtigen Immobilien in der Münchner Innenstadt gekauft. Das alles geschah auf Pump, in einer Zeit, in der die Zinsen niedrig waren und die Immobilienpreise nur eine Richtung kannten: nach oben. Diese Zeit ist vorbei. Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins, an dem sich der Zins für Immobilienkredite orientiert, seit Mitte 2022 in beispielloser Geschwindigkeit von null auf 4,5 Prozent erhöht. Für die Holding, deren Bilanzsumme bei 27 Milliarden Euro liegen soll, ein Problem: Allein in diesem Jahr muss das Firmenkonglomerat Kredite in Milliardenhöhe ablösen, und das zu deutlich höheren Zinsen. Gleichzeitig verliert das Immobilienportfolio, das den Banken als Gegenwert für die Schulden dient, auf dem Papier an Wert, weshalb die Kredithäuser mitunter mehr Sicherheiten verlangen können.
Signa braucht also Geld. Doch bei Investoren dürfte es schwer werden, neues Kapital einzusammeln. „Keiner glaubt mehr, dass Benko die Situation gedreht bekommt“, sagte einer der Gesellschafter dem „Spiegel“. Der Unternehmensberater Roland Berger gab seine Signa-Anteile schon zurück, Toeller will ebenfalls raus aus der Firma. Auch eine Zerschlagung der Holding oder der Verkauf der Kaufhäuser ist angesichts des Siegeszugs des Onlineshoppings und der Krise der Innenstädte kein Selbstläufer. Zwar hatte Signa immer wieder Deals über die Bühne gebracht. Gemeinsam mit dem Kadewe in Berlin und dem Hamburger Alsterhaus gliederte Benko etwa den Münchner Oberpollinger in die Kadewe Group aus und verkaufte 50,1 Prozent an einen thailändischen Milliardär. Für andere Gebäude wie das Kaut-Bullinger-Haus und den Kaufhof am Rotkreuzplatz sucht Signa dagegen seit Monaten Käufer.
Was die Turbulenzen bei Signa für die Projekte der Holding in München bedeuten, die Teil der Signa-Gruppe sind, ist schwer abzusehen. Bei Galeria Karstadt Kaufhof laufe das operative Geschäft gut, hieß es aus dem Umfeld des Aufsichtsrates. Das Weihnachtsgeschäft sei bestens angelaufen. Die Pleite des Konzerns könnte allerdings auch Galeria mit in den Abgrund reißen, befürchten Branchenexperten. Benko hatte beide Kaufhausketten vor einigen Jahren übernommen, bisher insgesamt rund 700 Millionen Euro an Staatshilfen kassiert und trotzdem deutschlandweit dutzende Filialen geschlossen und tausende Jobs gestrichen.
Daneben gehören dem Österreicher in München zum Beispiel das Hermann-Tietz-Haus am Hauptbahnhof, das Karstadt-Areal in der Schützenstraße und die Alte Akademie in der Fußgängerzone. Während das Karstadt-Areal seit Monaten leer steht, was laut Unternehmenskreisen auch am fehlenden Bebauungsplan liegen soll, wurde an der Alten Akademie anders als am Hamburger Elbtower am Freitag weitergebaut. Auch das Signa-Schild hängt dort, wurde aber beschmiert. Statt „ein Herzstück Münchens erstrahlt in neuem Glanz“ steht dort nun „ein Herzstück Münchens stirbt“.