Taufkirchen – „Rocketman“ von Elton John und der aus dem Fliegerfilm Top Gun bekannte Song „Danger Zone“: Kurz bevor IG-Metall-Vize Jürgen Kerner in Taufkirchen bei Airbus auf die Bühne tritt, macht die Musik schon klar, wo er ist – bei einem in der Rüstung tätigen Luftfahrtunternehmen. „Wir bekommen vom Kuchen nur die Krümel ab“, sagt Kerner zu den hunderten Mitarbeitern, die hier versammelt sind. Doch anders als es zunächst klingt, will er diesmal keine Lohnerhöhungen von Airbus. Er fordert von der Politik mehr Aufträge für den Konzern.
Der Grund für die Zusammenarbeit von Industrie und Gewerkschaft: Beide sind sauer, dass aus den 100 Milliarden Euro an Sondervermögen für die Bundeswehr zu wenig bei deutschen Firmen landet. Aus diesem Grund sind in den kommenden Wochen eine Reihe von Protestkundgebungen geplant. Die Demo in Taufkirchen ist die erste davon, bei MTU, Hensoldt, Rolls-Royce oder MBDA sowie an anderen Airbus-Standorten sollen weitere folgen. Sie alle haben ein Ziel, das Harald Mannheim von Airbus in Taufkirchen bereits formuliert: „Deutsche Unternehmen müssen bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen mehr zum Zuge kommen.“
Konkret sieht die Branche ein Defizit bei der Auftragsvergabe der Luftwaffe. Laut IG Metall landen 40 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen dort. Statt das Geld in deutsche und europäische Waffensysteme wie den Eurofighter oder den Tiger-Hubschrauber zu stecken, würden US-Konkurrenten mit Aufträgen bedacht. So hat die Luftwaffe zum Beispiel 60 Chinook-Hubschrauber von Boeing für insgesamt 7,2 Milliarden Euro geordert. Hinzu kommen für 8,3 Milliarden 35 amerikanische F-35 Jets samt Bewaffnung und Wartungspaket. Sie sollen Tornado-Jets ersetzen und ab 2026 ausgeliefert werden. Auch künftig könnten nun für alte Tornados neue US-Maschinen statt Eurofighter gekauft werden, so die Befürchtung. „Unser Steuergeld fließt also über den Großen Teich in die USA“, bilanziert IG-Metall-Vize Kerner. Das sei für die deutsche Luftfahrtindustrie „ein Schlag ins Gesicht“, ihr drohe „der Absturz“.
Die deutschen Firmen sehen sich also ausgebootet. Und sie warnen vor Technologieverlust. „Gerade beim Eurofighter brennt die Hütte“, sagt Harald Mannheim von Airbus. Hier gebe es zwar Bestellungen bis 2030, dann laufe aber die letzte Maschine vom Band. Mit dem FCAS-Projekt soll danach frühestens 2040 die nächste Generation an europäischen Kampfjets abheben. Dadurch entstehe eine gefährliche Lücke: Was zwischen 2030 und 2040 passiere, sei unklar. Aus Airbus-Sicht müsste in dieser Zeit ein modernisierter Eurofighter gebaut werden, schon als Technologiebrücke für FCAS. Noch sei der aber nicht bestellt. Wolle die Bundesregierung den Eurofighter weiter, müsse sie ihn noch in dieser Legislaturperiode ordern, fordert Mannheim. „Die Maschinen stehen ja nicht fünf Monate später auf dem Hof.“
Werde der Eurofighter aber 2030 eingestellt und setze die Luftwaffe fortan auf die amerikanische F35, stehe auch der für 2040 geplante neue Europa-Jet wohl vor dem Aus, warnt die Branche. „Dann laufen uns bis 2040 nämlich die Mitarbeiter und die Zulieferer weg und das Know-how geht verloren“, befürchtet Mannheim. Der Triebwerkproduzent MTU teilt die Sorge. 120 Zulieferer mit 25 000 Arbeitsplätzen habe die Industrie, rechnet der Münchner Dax-Konzern vor. Viele seien spezialisiert und in sensiblen Bereichen tätig. „Ein Auslaufen des Eurofighters würde in Europas Hightech-Zulieferlandschaft in wenigen Jahren zu spürbaren Einschnitten führen“, erklärt Michael Schreyögg, der bei MTU die Militärsparte leitet.
Bleibe man bei der derzeitigen Praxis, US-Militärtechnik zu kaufen, bedrohe das sogar die deutsche Verteidigungsfähigkeit, gibt Gewerkschafter Kerner zu bedenken. „Damit liefern wir uns dem Wohlwollen der USA aus.“ Im Zweifel würden US-Firmen Ersatzteile zuerst an das US-Militär und nicht an Europäer liefern. „Europa muss seine Souveränität in Verteidigungsfragen stärken“, fordert deshalb auch Schreyögg von der MTU. Die 100 Milliarden für die Bundeswehr seien dafür eine gute Chance. „Nun braucht es noch den politischen Willen dafür.“