München –Deutsche und europäische Jungunternehmen tun sich im Vergleich vor allem zu US-Rivalen schwer, an Gelder von Investoren zu kommen. Leichter wird es mit geistigen Schutzrechten wie Patenten oder Marken, hat eine Studie des Europäischen Patentamts (Epa) in München und des EU-Markenamts Euipo in Alicante ermittelt und deren Wirkung auch beziffert. „Unsere Studie zeigt, dass Start-ups, die Patente und Marken besitzen, zehnmal erfolgreicher sind, wenn es darum geht, Finanzmittel zu beschaffen“, sagt Epa-Experte Ilya Rudyk.
Aber längst nicht jedes Jungunternehmen hält ein solches Schutzrecht. In Deutschland sind es im Schnitt vier von zehn, europaweit nicht einmal drei von zehn Start-ups. Aber warum patentieren Jungunternehmen nicht öfter?
Eine Erklärung sind Zeitaufwand und Kosten, sagt Andreas Schuster. „In der Frühphase haben innovative Start-ups oft viele andere Dinge im Fokus“, sagt der Technologiechef der Münchner Orcan Energy. Die 2008 von ihm mitgegründete Firma hat eine Technologie zur Umwandlung von Abwärme in Strom entwickelt und auf den Markt gebracht. Einige Wochen, wenn auch nicht in Vollzeit, brauche man, um eine Patentschrift zu formulieren, erklärt der Gründer. Zudem reiche ein einziges Patent oft nicht aus, um ein neues Produkt oder Verfahren patentrechtlich abzusichern.
Die durchschnittlichen Kosten für ein europäisches Patent beziffert das Epa für zehn Jahre Laufzeit auf unter 5000 Euro. Aber weil für echten Patentschutz oft mehrere solche Schutzrechte nötig sind, seien es am Ende realistisch einige zehntausend Euro, weiß Schuster aus Erfahrung. Für mangelnde Patentaktivität von Start-ups kennt er aber noch einen anderen, entscheidenderen Grund. „Es ist möglicherweise ein fehlendes Bewusstsein für die Wirksamkeit von Patenten im späteren Geschäftsverlauf“, sagt der Jungunternehmer. Wer wisse als Gründer schon, wie entscheidend frühzeitiger Patentschutz sei? Mache man eine Idee unvorsichtigerweise bekannt, sei sie nicht mehr patentierbar. Dazu reiche ein Vortrag, eine Publikation oder ein Messeauftritt. All das könne als Offenlegung einer Erfindung gelten, was späteren Patentschutz ausbremst. „Wenn man von einem Fehler nicht weiß, dann macht man ihn leicht“, sagt Schuster. Zu seinen Studienzeiten seien Schutzrechte kaum mehr als eine Randnotiz gewesen, was sich mittlerweile gebessert habe. Wissenslücken darüber gebe es aber immer noch.
Zumindest im europäischen Vergleich stehen deutsche Start-ups an der Patentfront dabei noch relativ gut da. Nur Konkurrenten aus Frankreich und Finnland kommen laut Studie mit 42 Prozent auf eine leicht höhere Rate an Schutzrechtsanmeldungen. Deutlicher sind die Unterschiede nach Branchen. An der Spitze stehen in Deutschland Biotech-Start-ups, wo mehr als sieben von zehn Schutzrechte anmelden. Auch in Bereichen wie Industrie, Gesundheitswesen oder Nachhaltigkeit patentiert deutlich mehr als jedes zweite Start-up. Am anderen Ende der Skala rangieren dagegen Jungfirmen aus Bereichen wie Telekommunikation und Messaging oder Werbung.
Werbung für patentfreudige Start-ups will indessen nun auch das Epa machen und hat dazu eine neue Beobachtungsstelle für Patente und Technologie entwickelt. Zentralelement ist ein kostenloser Deeptech-Finder, der sich an interessierte Geldgeber wendet. „Damit können potenzielle Investoren Start-ups mit bahnbrechenden oder vielversprechenden neuen Technologien identifizieren“, verspricht Epa-Präsident Antonio Campinos. Über diese online verfügbare Informationsquelle wolle man kreative Köpfe mit denen zusammenbringen, die über Geldmittel verfügen.
Gegenüber Start-ups wiederum wirbt Euipo-Exekutivdirektor Joao Negrao um mehr Patentanmeldungen. „Neu gegründete Unternehmen besitzen in der Regel in der Anfangsphase außer ihrem geistigen Kapital nur wenige Vermögenswerte“, argumentiert er auch eigennützig. Euipo und Epa leben von Anmeldungen für Patent- und Markenrechte sowie den Jahresgebühren dafür.
Deren Erteilung ist bisweilen keine schnelle Sache. „Unser erstes Patent haben wir November 2009 angemeldet, erteilt wurde es im Juni 2011“, erinnert sich Schuster. Heute gehe es meistens schneller und dauere im Eilfall unter einem Jahr. Aber es könne sich auch mehrere Jahre ziehen. Gut 200 Patente hält Orcan Energy heute, 15 Jahre nach der Gründung. „Wagniskapitalgeber haben immer schnell die Frage nach angemeldeten oder erteilten Schutzrechten gestellt“, beschreibt er seine Erfahrungen. Bereut hat Schuster den Aufwand dafür nie.