Siemens Energy: 4,6 Milliarden Euro Verlust

von Redaktion

VON SEBASTIAN HÖLZLE

München – Der Chef von Siemens Energy, Christian Bruch, hat gestern gar nicht erst versucht, die Lage schönzureden: „Das Ergebnis ist, das kann man nicht anders sagen, eine große Enttäuschung“, erklärte Bruch gestern bei der Präsentation der Bilanz in München (bei Siemens Energy endet das Geschäftsjahr traditionell Ende September). Unterm Strich wies der Konzern aufs Jahr gerechnet einen Verlust in Höhe von knapp 4,6 Milliarden Euro aus – der höchste Verlust seit der Ausgliederung des Unternehmens aus der Siemens AG im Jahr 2020.

„Die Schwierigkeiten im Wind stellen die anderen exzellenten Leistungen in anderen Geschäftsbereichen in den Schatten“, sagte Bruch mit Bezug auf die spanische Windkraft-Tochter Siemens Gamesa. Zu diesen „anderen Geschäftsbereichen“ zählen beispielsweise: Transformatoren, Turbinen oder Technik für Übertragungsnetze – 70 Prozent zum Gesamtumsatz steuerte das traditionelle Geschäft bei, wie Bruch gestern betonte. „In einem äußerst herausfordernden Jahr für Siemens Energy wachsen zwei Drittel unserer Geschäfte profitabel.“ Insgesamt sei der Auftragsbestand mit 112 Milliarden Euro bei Siemens Energy so hoch wie noch nie.

Weil Banken angesichts der Probleme bei Siemens Gamesa das Vertrauen in den Konzern verloren haben, zögern sie aber, Garantien für die Aufträge zu übernehmen. Bruch hat daher mit Vertretern der Bundesregierung Gespräche geführt – und das mit Erfolg. Wie das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium bereits am Dienstag mitteilte, will der Bund für Garantien in Höhe von 7,5 Milliarden Euro bürgen. Auch Privatbanken sowie die Siemens AG, die mit 25 Prozent an Siemens Energy beteiligt ist, übernehmen Garantien.

Bruch betonte gestern, dass die Steuerzahler nicht belastet würden, da es extrem unwahrscheinlich sei, dass der Garantiefall überhaupt eintreten werde. Am Ende könnte der Bund sogar verdienen: „Sowohl die Banken als auch der Bund erhalten eine Gebühr von uns“, erläuterte Bruch. Da es sich um eine „marktübliche“ Gebühr handele, würden die Staatsgarantien von der EU auch nicht als Beihilfen angesehen.

Was Siemens Gamesa selbst angeht, war gestern die gute Nachricht, dass es keine weiteren schlechten Nachrichten gab. Es seien seit dem dritten Quartal wegen der Probleme bei Siemens Gamesa keine weiteren Rückstellungen gebildet worden, sagte Bruch. Auch sei die technische Analyse der Qualitätsprobleme bei den Windrädern „nahezu abgeschlossen“. Das heißt übersetzt: Inzwischen weiß der Konzernvorstand, wie groß die Probleme bei Siemens Gamesa überhaupt sind – in den vergangenen Monaten herrschte darüber Unklarheit.

Im Kern geht es um zwei Onshore-Plattformen, die Siemens Gamesa unter der Produktbezeichnung 4.X und 5.X verkauft. Onshore bedeutet, dass die Windräder nicht auf See, sondern an Land verbaut werden. Bei den betroffenen Anlagen waren sowohl bei Lagern als auch bei Rotorblättern Mängel aufgetreten. Die Behebung ist laut Bruch nicht einfach, da in den Anlagen Teile unterschiedlicher Lieferanten verbaut worden seien. Auch könne es sein, dass einige Rotorblättern nur „nachgeschliffen und verputzt“ werden müssten, wie es Bruch etwas salopp formulierte, bei anderen Anlagen müsse das Rotorblatt mit einem Kran abmontiert werden. Als Ursache für die Probleme nannte Bruch unter anderem das schnelle Wachstum der umkämpften Windkraftbranche. Neue Anlagen seien viel zu schnell auf den Markt gebracht worden.

Obwohl die Probleme bei Siemens Energy erkannt sind, werden sie auch noch im Geschäftsjahr 2024 auf die Bilanz drücken. Zwar kündigte Bruch für das laufende Geschäftsjahr einen Gewinn in Höhe von Milliarde Euro an. Dies gelingt aber nur dank Verkäufen, ansonsten wäre mit einem Verlust in Höhe von einer bis eineinhalb Milliarden Euro zu rechnen. Bis zur wirklichen Wende wird es daher noch dauern. Erst im Jahr 2026 erwartet Bruch bei Siemens Gamesa wieder schwarze Zahlen.

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