Materialtest bei minus 269 Grad

von Redaktion

VON MARTIN PREM

Garching – Wenn Martin Profus die Ergebnisse seiner Arbeit begutachten will, braucht er gut isolierende Handschuhe, um sich vor Verbrennungen der Haut zu schützen. Profus ist Test-Ingenieur bei KRP Mechatec in Garching im Landkreis München. Die Versuche im Labor des Unternehmens laufen unter extremer Kälte und im Hochvakuum ab – Umweltbedingungen, die auf der Erde in der Natur nicht vorkommen.

Das wird sichtbar, sobald Profus den Versuchsaufbau öffnet, mit dem er die Festigkeit eines Materials (etwa Stahl, Kunststoff, Faserverbund, Schaumstoff, Klebstoff) überprüft hat. Dann läuft an der bitterkalten Metallröhre etwas herab. Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft, die sich niederschlägt und sich sofort verflüssigt. Doch wie schafft man es, etwas so weit herunterzukühlen?

Oft ist flüssiger Stickstoff mit einer Temperatur von minus 196 Grad im Spiel. Werden tiefere Temperaturen benötigt, kommt flüssiges Helium zum Einsatz mit minus 269 Grad – vier Grad über dem absoluten Nullpunkt. Für diese Flüssiggase gibt es auf dem Gelände des Max-Planck-Institutes in Garching eine ideale Infrastruktur.

Anders als viele Unternehmen auf dem Campus ist KRP Mechatec keine Ausgründung aus dem Forschungsbetrieb. Markus Reindl hat das Unternehmen 2002 mit zwei Partnern gegründet. 2016 erfolgte der Umzug auf das Gelände des Max-Planck-Institutes. Kurz darauf zogen sich die beiden Partner zurück. Reindl wurde Alleingesellschafter. Und es kam eine Werkstudentin an Bord, Markus Reindls Tochter Sandra Goltze, die sich heute mit ihrem Vater die Geschäftsführung des Betriebs mit rund 20 Mitarbeitern teilt.

Die Versuchsaufbauten sind keine Standard-Anwendungen, sie werden fast für jeden Versuch entwickelt. Doch wofür der Aufwand?

Einige Anwendungen sind auf Anhieb einleuchtend: Raumfahrt und Kernfusion. Mit vielen Firmen dieser Hightech-Branche hat KRP Mechatec zu tun – weltweit.

So auch beim Versuch, bei dem Martin Profus ein Stahlteil an die Grenze seiner Belastbarkeit bringt. „Fester als normaler Stahl“, sagt er, während er die Zugkräfte steigert. 20 Kilonewton sind es jetzt, was grob überschlagen einer Masse von 20 Tonnen entspricht. Ganz langsam zeigen Ausschläge am Messgerät, dass das Material nicht mehr lange standhalten wird und schließlich mit einem hörbaren Knall zerreißt. Um welche Legierung es sich genau handelt, weiß der Test-Ingenieur selbst nicht. Raumfahrtunternehmen hängen ihre Rezepturen nicht an die große Glocke. Und was KRP doch erfährt, ist in der Regel durch strenge Stillschweigeabkommen vor der Konkurrenz geschützt zu halten.

Zwei Etagen tiefer im Keller zeigt Sandra Goltze einen anderen Versuchsaufbau. „Rein mechanisch“, sagt sie. Es gebe hier keine speziellen Temperaturanforderungen. Ein bis zu 30 Kilo schwerer Hammer oder schwere Kugeln fallen auf eine Aluminiumplatte, auf die empfindliche Geräte und Komponenten montiert sind. Mit solchen Tests werden die Beschleunigungen durch eine Schockbelastung simuliert, wie sie bei der Absprengung der Stufe einer Trägerrakete wirken. Der Rest des Raumfahrzeugs oder Satelliten soll ja weiterhin funktionieren. Eine Beschädigung wäre ein katastrophaler Fehlschlag der Mission.

Einen anderen Versuchsaufbau hat Jakob Schlingensief mit Kollegen entwickelt. Schlingensief studiert Luft- und Raumfahrttechnik an der Hochschule München. Für zukünftige Wasserstoff-Anwendungen müssen die Kunden wissen, wie durchlässig eine Membran aus Carbonfaser verstärktem Kunststoff (CFK) ist. Aus diesem Leichtbau-Material sollen künftig Wasserstofftanks gefertigt werden, etwa für die europäische Trägerrakete Ariane 6 oder für wasserstoff-angetriebene Flugzeuge. Das Material wird durch den minus 253 Grad kalten, zunächst flüssigen und dann verdampfenden Wasserstoff enormen thermischen Beanspruchungen unterworfen.

Auch bei Entwicklungsprojekten zur Kernfusion arbeitet KRP mit. Es gibt also viel zu tun, für ein kleines, aber wichtiges Unternehmen, das am Mittwoch für seine Leistungen mit dem Exportpreis Bayern 2023 ausgezeichnet wurde.

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