„Daten besser geschützt als Patienten“

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Gesundheitsdaten sind ein moderner Schatz. Wer ihn hebt, kann früh Erkrankungen erkennen oder sie präventiv verhindern, zielgenaue Therapien entwickeln und die Rehabilitation verbessern, sagen Gesundheitsökonomen und Experten wie Jens Wiehler. „Die Pharmaindustrie nutzt genetische Datenbanken, um personalisierte Medikamente zu entwickeln, was zu höheren Erfolgsraten und weniger Nebenwirkungen führt“, erklärt der Molekularbiologe.

Apps und Fitnesstracker könnten Daten zu Herzfrequenz und Blutdruck sammeln, um Patienten enger zu überwachen und besser zu behandeln. Zumindest ist so etwas außerhalb Deutschlands möglich.

Welche Unterschiede bestehen und welche Folgen das hat, zeigt eine Studie, an der Wiehler beteiligt war. „Standortfaktor Gesundheitsdaten“ lautet ihr Titel. Erstellt haben sie der bayerische Cluster für Medizintechnik und Biotechnologie (BioM), deren Digitalchef Wiehler ist, sowie die Themenplattform Digitale Gesundheit und Medizin. Befragt wurden Firmenvertreter aus Biotechnologie, Pharmazie, Diagnostik, Medizintechnik und digitaler Gesundheit. Das Fazit ist eindeutig. Deutschland hinkt beim Sammeln und Auswerten von Big Data im Bereich Gesundheit international hinterher. Der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Gesundheitswirtschaft schadet das enorm. Abwanderung ins Ausland droht.

Fragt man Wiehler, ob Gesundheitsdaten in Deutschland besser geschützt werden als Patienten, kommt seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Zurzeit leider noch ein klares Ja und das teils ohne Not, denn Länder wie Finnland, Estland, Dänemark und Spanien zeigen, dass es auch anders geht“, sagt der Experte. Das sind nur die EU-Länder, auf die etablierte Konzerne und Jungfirmen der Gesundheitswirtschaft hierzulande neidisch blicken. Im globalen Maßstab schwärmen sie in der Studie von den Vorreitern USA, Israel oder Großbritannien. Dort wurde längst erkannt, dass Daten das neue Öl sind, betonen die Studienmacher. Das Datenaufkommen der Gesundheitswirtschaft wachse global so stark wie in sonst keinem anderen Sektor. Von 2018 bis 2025 gehe man dort von 36 Prozent Zuwachs aus gegenüber 30 Prozent in der produzierenden Industrie. Aber Deutschland sei davon vielfach abgeschnitten.

„Es fehlt sowohl an strukturierten Daten wie aus elektronischen Patientenakten oder Genomprojekten wie auch an Zugriffsmöglichkeiten auf bestehende Daten“, fasst Wiehler die Mängel zusammen. Zugriff auf Verfügbares sei oft mit hohen bürokratischen Hürden verbunden oder gar nicht möglich wie bei Krankenkassendaten in anonymisierter Form.

In der Studie haben befragte Unternehmen die Verfügbarkeit bestehender deutscher Gesundheitsdaten im Schnitt als „sehr niedrig“ eingestuft. Sieben von zehn heimischen Hightechfirmen aus der Gesundheitswirtschaft sind nach eigenen Angaben auf Auslandsdaten angewiesen. Das hat ernste Konsequenzen. Drei von vier befragten Unternehmen fürchten wegen der Datenmangellage um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit, verweist Wiehler auf ein Kernergebnis der Studie. Fast acht von zehn sehen negative Auswirkungen auf die Entwicklung eigener Produkte.

Besonders schwer wiegt, dass gut jedes zweite Unternehmen negative Auswirkungen auf Investitionen am Heimatstandort erklärt. Die fließen dann in Auslandsstandorte, was schrittweise Abwanderung signalisiert. Das Ausmaß könnte sogar noch größer sein als durch die Studie aufgedeckt. Unternehmen, die wegen bestehender Standortnachteile bereits aus Deutschland abgewandert sind, habe man nicht mehr befragen können.

Was volkswirtschaftlich am Ende drin ist, hat eine US-Studie ermittelt. Durch breite Einführung von KI zur Datenanalyse könnten Ausgaben im Gesundheitswesen um fünf bis zehn Prozent gesenkt werden, zitiert Wiehler daraus. Das entspreche jährlich bis zu 330 Milliarden Euro. Zudem verkürze KI Pharmaforschung stark. So sei ein neues Antikrebsmolekül KI-getrieben jüngst binnen acht Monaten so weit entwickelt worden, wie es traditionell vier bis fünf Jahre lang gedauert hätte.

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