Berlin – Privatkunden und Unternehmen drohen höhere Strompreise. Konkret geht es um einen milliardenschweren Bundeszuschuss für den Ausbau der Stromautobahnen, der gestrichen werden könnte. Ohne ihn würden die Endkundenpreise deutlich steigen, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, warnte vor Belastungen für die Wirtschaft.
Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat für 2024 einen Bundeszuschuss zur Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. Als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts muss die Bundesregierung diesen Sondertopf allerdings zum Ende des Jahres auflösen. Das Geld für den Zuschuss müsste nun also aus dem Kernhaushalt kommen. Das aber dürfte schwierig werden.
Als Folge der Energiekrise seien die Strompreise immer noch hoch, sagte Andreae. „Deshalb war es absolut richtig vom Bundestag, die Übertragungsnetzentgelte zu deckeln und damit die Endkundenpreise zu dämpfen.“ Nach den extremen Energiepreisanstiegen im vergangenen Jahr sei es jetzt wichtig, den Kunden Konstanz und Zuverlässigkeit zu signalisieren.
Sollte der Zuschuss wegfallen, würde dies einen Dominoeffekt auslösen: „Wenn die Netzentgelte steigen, müssen auch die Verteilnetzbetreiber ihre Entgelte erhöhen“, so Andreae. Die gestiegenen Netzentgelte müssten wiederum die Energieversorger in ihre Preiskalkulation aufnehmen „und bereits angekündigte Preise anpassen“. Aufgrund der gesetzlichen Fristen wäre dies jedoch nicht mehr zum 1. Januar 2024 möglich, würde aber schnellstmöglich nachgeholt.
Sollten die Netzentgelte durch den Wegfall des Bundeszuschusses steigen, rechnet das Vergleichsportal Verivox bei einer Familie mit einem Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden mit jährlichen Mehrkosten von rund 100 Euro. Der Ökostromanbieter LichtBlick erwartet sogar eine Mehrbelastung von knapp 170 Euro. DIHK-Präsident Adrian sagte: „Allein der Anstieg der Netzentgelte zum Jahreswechsel würde ein typisches mittelständisches Unternehmen um einen sechsstelligen Betrag belasten, wenn der versprochene Zuschuss nicht kommt.“
Um Kosten zu sparen, hat die Bundesregierung bereits angekündigt, die Strom- und Gaspreisbremsen zum Jahreswechsel und damit früher als geplant auslaufen zu lassen. Auf der Suche nach Einsparungen könnte auch ein milliardenschweres Paket zur Entlastung von Industrie und Mittelstand wieder infrage stehen, das die Spitzen der Koalition vor dem Urteil geschnürt hatten. Unter anderem soll die Stromsteuer für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes auf den in der EU zulässigen Mindestwert gesenkt werden. Rund 350 Konzerne, die besonders im globalen Wettbewerb stehen und unter hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Die bestehende sogenannte Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden.
Der Bund müsse im Haushalt eine Balance schaffen „zwischen der Einhaltung von politischen Zusagen für industrielle Einzelprojekte und den vereinbarten Entlastungen für die Breite bei Netzentgelten und Stromsteuer“, sagte Adrian. „Beides ist zur Sicherung der gesamten industriellen Wertschöpfungsketten unabdingbar.“