München – Es waren schon schlechte Konjunkturnachrichten, die das Ifo-Institut für nächstes Jahr im Gepäck hatte. Dann hat die Ampelregierung tags zuvor Eckpunkte ihrer Haushaltsplanung vorgestellt. Nun sind die Vorhersagen noch einmal düsterer. Von 1,4 auf noch 0,9 Prozent Zuwachs wollte Ifo die Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ursprünglich kappen. Immerhin ein Plus nach dem für 2023 zu erwartenden Minus von 0,3 Prozent. Aber weil die Ampel nächstes Jahr die Schuldenbremse einhalten will, müssen Staatsausgaben gekürzt werden, was die Konjunktur zusätzlich dämpft. „Etwa 30 Milliarden Euro müssen Bund und Länder sparen, um die Schuldenbremse einzuhalten“, sagt Ifo-Konkjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Als Folge bleiben wohl nur noch 0,6 Prozent Wachstum übrig. Gegenüber der Ifo-Vorgängerprognose für kommendes Jahr würde sich das geschätzte Wachstum also mehr als halbieren. 2025 geht es mit kalkulierten 1,3 Prozent BIP-Zuwachs zwar besser, aber immer noch schleppend weiter, sagen die Ifo-Forscher.
„Deutschland fehlt eine Wachstumsstrategie“, betont Ifo-Chef Clemens Fuest. Die jüngsten Beschlüsse der Ampel zum Bundeshaushalt gingen aber wenigstens in die richtige Richtung. Den Sparwillen nimmt er der Bundesregierung ab. „Aber wirklich präzise wissen wir immer noch nicht, wie die Haushaltsanpassungen ausfallen“, bemängelt er und ist damit nicht allein. Die Schuldenbremse zwinge, Ausgaben zu priorisieren, und zu mehr Ehrlichkeit, hebt der Ökonom hervor. Er meint damit die lange von der Politik gezeichnete Illusion, dass Bürger Mammutaufgaben wie den Umbau zu einer grünen Wirtschaft die Bürger nicht besonders spüren werden. Das mache nun der Wahrheit Platz, dass Belastungen für jedermann absehbar empfindlich würden. Andererseits sagt Ifo für 2024 ein starkes Nachlassen der Inflation voraus. Von knapp sechs Prozent in diesem Jahr soll sie auf 2,2 Prozent schrumpfen. Inflationssteigernde Effekte der neuen Haushaltspläne würden daran wenig ändern, beruhigt Wollmershäuser. So würde die vorgesehen höhere Bepreisung des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) mit ihren Auswirkungen auf Sprit- und Heizpreise die Inflationsrate auf maximal 2,3 Prozent steigen lassen. Weniger entspannt dürfte es 2024 auf dem Arbeitsmarkt zugehen. Hier sagt Ifo ein Anwachsen der Arbeitslosenquote von in diesem Jahr 5,7 auf 5,9 Prozent voraus. Rund 100 000 Arbeitslose mehr auf dann 2,7 Millionen bedeutet das. Speziell in der für Deutschland wichtigen chemischen Industrie sieht Ifo in Teilen anhaltende Anwanderungstendenzen mit unumkehrbaren Arbeitsplatzverlusten. Das gehe auf das erhöhte Energiepreisniveau zurück. Insgesamt seien 15 Prozent der industriellen Wertschöpfung hierzulande energieintensiv, sagt Fuest zur Dimension dieses Problems.
Was er dringend anmahnt, ist eine politisch flankierte Wachstumsstrategie, die dem neuen Normal Rechnung trägt. Der Ifo-Chef ist skeptisch, ob eine Hinwendung zu grünen Industrien durchgängig die Antwort ist. Denn bislang steche Deutschland bei deren Kernelementen wie Elektroautos, Solartechnik oder Windkraft im globalen Wettbewerb nicht gerade erfolgreich hervor. Stärken der deutschen Wirtschaft in Wachstum und Jobs zu übersetzen, könne man dagegen durch echten Bürokratieabbau und ein investionsförderndes Steuersystem. Heute sei das vor allem auf mehr privaten Konsum ausgerichtet, sagt Fuest. Das müsse sich zugunsten von Investitionsanreizen ändern. Aktuell sei die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Deutschland jedenfalls deutlich höher als in anderen Ländern und die Stimmung angesichts Stagflation sowohl bei Verbrauchern als auch Unternehmen schlecht.