München – Motoren, Industrieöfen, Turbinen: Bei Verbrennungsprozessen entweicht ein Großteil der eingesetzten Energie als Abwärme. Die Nutzungsmöglichkeiten: Oft begrenzt. Strom dagegen ist ein gefragtes Universaltalent. Das Münchner Start-up Orcan Energy will genau diese Lücke schließen.
„Unser Efficiency Pack kann Abwärme in Strom umwandeln“, erklärt Andreas Sichert, Gründer von Orcan Energy. Er steht auf einem Stellplatz der Technischen Universität in Garching, hinter ihm ein schiffscontainergroßer Metallkasten. Er ist zu Forschungszwecken an das Blockheizkraftwerk der TU angeschlossen.
In seinem Inneren verlaufen metallglänzende Rohre: „Im Grunde funktioniert die Anlage wie ein normales Dampfkraftwerk, nur dass wir statt der Turbine einen Schraubenkolben und statt Wasser ein organisches Fluid nutzen, das schon weit unter 100˚C verdampft“, erklärt Sichert. Das Prinzip ist einfach: Ein flüssiges Arbeitsmittel wird durch die eingespeiste Abwärme erhitzt, bis es verdampft. Durch die Ausdehnung wird der Schraubenkolben in Bewegung versetzt und erzeugt Strom. Anschließend wird die heiße Flüssigkeit über gefaltetes Blech geleitet, um wieder abzukühlen. Die von außen sichtbaren Lamellen entsprechen der Größe von drei Handballfeldern.
„Die Anlage funktioniert schon ab 65˚C Abwärme. So können wir Kühlkreisläufe betreiben, die ohne Strombezug aus dem Netz auskommen. Eine aktive Stromproduktion ist ab 80˚C möglich“, erklärt Sichert. Für die Zielgruppe kein Problem: „Wir haben 2012 damit angefangen Biogasanlagen auszustatten“, erklärt der Ingenieur. Inzwischen werden die Efficeny Packs aber auch für Zementwerke, Geothermieanlagen und Schiffsmotoren genutzt.
„Der Clou ist die Flexibilität: Unsere beliebtesten Anlagen haben genau die Maße eines 20- bzw. 40-Fuß-Standardschiffscontainers, deshalb lassen sie sich extrem leicht und günstig transportieren – sie sind schnell zu installieren und auch zu versetzen. Man muss lediglich die Wärmequelle anschließen.“ Für mehr Leistung braucht es nur mehr Container.
Für Sichert ist das Konzept eine Win-Win-Situation: „Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit dürfen sich in meinen Augen nicht widersprechen.“
Das kommt an: „Wir haben 2022 sechs Container an das Wittekind-Zementwerk in Südwestphalen geliefert. Damit erschließen wir pro Jahr bis zu 8000 Megawattstunden Strom, die sonst ungenutzt blieben.“ Die Container liefern heute zehn Prozent des gesamten Strombedarfs des Werks. Gleichzeitig sparen sie jährlich 4000 Tonnen CO2.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: So fahren acht Efficeny Packs auf Taiwans erstem Offshore-Installationsschiff mit, in Myanmar ergänzen 70 Orcan-Systeme ein Kraftwerk, das mit 70 Gasmotoren Strom erzeugt. Die Orcan-Systeme erzeugen dort allein aus der Abwärme 30 Gigawattstunden Strom, genug für 100 000 Haushalte. Weltweit hat Orcan mehr als 600 Systeme installiert und damit bisher gut 140 000 Tonnen CO2 eingespart.
Der Großteil der Arbeit findet in München statt, wo Sichert Physik studiert hat: „Wir haben in München rund 60 Mitarbeiter. Zeitnah werden wir einen Produktionsstandort auf- und ausbauen, wo wir mit 15 bis 20 zusätzlichen Mitarbeitern planen.
Andreas Sichert rechnet mit wachsendem Bedarf: „Viele Unternehmen wollen nicht nur ihre Energiekosten, sondern auch ihren CO2-Abdruck senken. Das gilt besonders für Branchen mit schwer vermeidbaren Emissionen.“
Das betrifft auch einen der größten Zementhersteller der Welt: „Wir haben kürzlich eine Partnerschaft mit Titan Cement aus Griechenland gestartet, die sich zum Ziel gesetzt haben, von 2020 bis 2030 mehr als 50 Prozent ihrer Scope-2-Emissionen zu reduzieren“, sagt Sichert. Auch neue Regularien dürften das Geschäft ankurbeln: „Ab 2024 gilt das neue Energieeffizienzgesetz, Unternehmen werden also verpflichtet, ihre unvermeidbare Abwärme zu nutzen“, sagt Sichert. Angesichts der hohen Energiepreise wohl kein Nachteil: „Unsere Anlagen rentieren sich je nach Anwendung nach drei bis sechs Jahren, halten aber deutlich länger. Damit lohnt sich die Investition eigentlich immer.“