Trauer um eine Ausnahme-Wissenschaftlerin

von Redaktion

München – Es gibt immer wieder Menschen, deren Leistungen den Lauf der Dinge beeinflussen. Viele davon kennt jedes Kind, andere wirken im Hintergrund und werden von einer breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Dazu zählt Eveline Gottzein, deren Erfindungen und Entwicklungen auf zwei Gebieten wirkliche Durchbrüche waren. Nun ist die bis ins hohe Alter aktive Technikerin und Wissenschaftlerin verstorben.

Funkverbindungen nehmen ihren Weg durch den Orbit. Wetter- oder Erdbeobachtung und vieles andere wäre mit der heutigen Präzision ohne die Helfer im Orbit kaum vorstellbar. Nur war die Sache anfangs gar nicht so einfach. Man schießt eine Maschine in eine Umlaufbahn, auf der sie – grob vereinfacht gesagt – die Erde umkreist. Um aber wirklich etwas zu bewirken, muss so ein künstlicher Erdtrabant die richtige Lage und den richtigen Weg einnehmen. Zum Teil lässt sich das von der Erde aus steuern, im Wesentlichen aber helfen dabei selbstregulierende Systeme.

Die Arbeiten von Eveline Gottzein für den Münchner Technologiekonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) auf diesem Gebiet waren so bedeutsam, dass die Nasa den Deutschen, die damals für den Transport ins All US-Trägerraketen brauchten, die Pistole auf die Brust setzte. Die Amerikaner bekamen, was sie wollten und dringend brauchten.

Auf einem ganz anderen Gebiet, der Magnetschwebetechnik, wäre ohne das Wirken von Eveline Gottzein und ihrem Team der Durchbruch möglicherweise ausgeblieben. Über die „Mog-Net-Schwebebahn“ lästerten Skeptiker auch bei MBB. Am Ende schwebte der Transrapid doch. Dank einer Entwicklung, die Gottzein später als das magnetische Rad bezeichnete. Dass der Durchbruch zu einem zukunftsfähigen öffentlichen Verkehrsmittel wegen zum Teil hanebüchener Einwände ausblieb, bedauerte die promovierte Ingenieurin immer wieder.

Die Ausnahme-Wissenschaftlerin wurde bereits ganz zu Beginn ihrer Laufbahn ausbremst. Trotz glänzender Schulnoten wurde ihr das Studium zunächst verweigert – in der DDR wegen mangelnder politischer Reife. Nach einer Ausbildung kam sie dennoch zum Zug, wechselte dann aber in den Westen – wo Ludwig Bölkow auf sie aufmerksam wurde – ein Glücksgriff für MBB.

Eveline Gottzein lehrte als Honorarprofessorin an der Universität Stuttgart und an anderen Hochschulen. Als erste Frau wurde sie mit dem Werner-von-Siemens-Ring ausgezeichnet. Noch aus dem Ruhestand blieb sie MBB und den Nachfolgeunternehmen verbunden und war immer wieder in Ottobrunn anzutreffen. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist sie am Heiligen Abend 2023 im Alter von 92 Jahren in Höhenkirchen-Siegertsbrunn verstorben.

MARTIN PREM

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