München – Die bayerische Stromerzeugung ist nach dem Atomausstieg auf den niedrigsten Wert seit über 30 Jahren gesunken. Der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft geht nach ersten Berechnungen davon aus, dass 2023 etwa 64 Terawattstunden Strom in Bayern erzeugt wurden. Das teilte der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft mit.
Das ist nach Angaben des Verbands der niedrigste Wert seit den späten 1980er-Jahren. Und im Vergleich zum Höchststand im Jahr 2012 ist die bayerische Stromerzeugung um fast ein Drittel – annähernd 30 Terawattstunden – zurückgegangen. Das zeigt der Vergleich mit den Daten des Statistischen Landesamts. Eine Terawattstunde entspricht 1000 Gigawattstunden beziehungsweise einer Milliarde Kilowattstunden.
Ursache des starken Rückgangs ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Bayern mit der Abschaltung der Atomkraftwerke nicht Schritt gehalten hat, welche einst über die Hälfte des bayerischen Stroms erzeugten. Im Frühjahr 2022 war Isar II als letztes bayerisches Kernkraftwerk vom Netz gegangen.
Auch 2024 wird die Brutto-stromproduktion im Bereich von etwa 65 Terawattstunden liegen. „Das sind in der Jahressaldobetrachtung rund 20 Terawattstunden weniger als in Bayern verbraucht werden“, sagte VBEW-Hauptgeschäftsführer Detlef Fischer. „Der Unterschied wird importiert, auch weil dies günstiger ist, als die teuren Erdgaskraftwerke rund um die Uhr zu betreiben.“
Größter Stromerzeuger in Bayern ist laut VBEW mittlerweile Photovoltaik. 2023 wurden Solaranlagen mit rund 3500 Megawatt Leistung hinzugebaut, so viel wie noch nie in einem Jahr. „Dieser Strom fällt größtenteils von März bis September an“, sagte Fischer. „In den Monaten Dezember und Januar steht er quasi gar nicht zur Verfügung. Wenn es in Bayern also mal eng mit der Stromversorgung werden sollte, dann im Winter, wenn überall der Strom knapper ist.“
Das ist deswegen von Bedeutung, weil sich auch der Bau der zwei geplanten Höchstspannungstrassen von Nord- nach Süddeutschland um Jahre verzögert. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte wegen Bürgerprotesten auf Erdkabel bestanden, was viel aufwendiger und zudem doppelt so teuer ist wie Freileitungen. Freileitungen hätten nach Angaben des Übertragungsnetzbetreibers Tennet 2022 fertig gestellt werden können. Nun stehen die Jahre 2027 und 2028 in Aussicht.
Der heutige Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bezeichnete die zwei Trassen über Jahre als unnötig, um dann die Kehrtwende zu vollziehen: Angesichts des hohen bayerischen Strombedarfs fordert Aiwanger mittlerweile eine dritte Trasse und warf der Bundesnetzagentur bereits eine Benachteiligung Bayerns vor.
„Es ist schon ein bemerkenswerter Wandel, wenn eine quasi partei- und personen-identische Staatsregierung zunächst die neuen Stromtrassen mit allen Mitteln bekämpft, dann bei jedem Spatenstich fleißig mitschaufelt und oben drauf noch weitere Leitungen fordert“, sagt Fischer dazu. „Das ist gelebte Transformation, wie ich sie mir von der gesamten Gesellschaft wünsche.“