Wie Speicher den Strompreis mitbestimmen

von Redaktion

STAND DER ENERGIEWENDE Boom bei Heimanlagen – Regulatorik behindert Industrie

VON MATTHIAS SCHNEIDER

München – Private Verbraucher bekommen es durch den hohen Anteil von Steuern und Umlagen weniger mit, doch besonders für die Industrie ist der pure Strom nach wie vor zu teuer. Die hohen Preise für Gas und CO2 sorgen für Börsenpreise knapp unter zehn Cent, vor der Krise waren es unter vier. Deutliche Erleichterung bringt die Einspeisung von Wind- und Solarkraft. Doch je weiter der Ausbau kommt, desto wichtiger wird die Speicherung der volatilen Energie. Wie Deutschland dabei vorankommt – und was das kostet, – wissen Bruno Burger und Christoph Kost vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme.

Batteriespeicher

In Deutschland wurden 2023 stolze 3,5 Gigawatt (GW) Batteriespeicher installiert, mehr Leistung als zwei Atomkraftwerke. „Die deutschen Pumpspeicher haben rund sechs GW Leistung – bei den Batterien haben wir inzwischen schon 7,5“, sagt Bruno Burger, Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Das liegt vor allem an privaten Heimspeichern. „Wir haben jetzt schon jedes Jahr fast eine Verdopplung“, so Burger.

Trotz gesunkener Kosten fehlt es aber an industriellen Großspeichern: „Dass es die bisher kaum gibt, liegt daran, dass sich der Betrieb kaum lohnt, weil sowohl beim Ein- als auch beim Ausspeichern Netzentgelte anfallen.“ Das sei eigentlich gegen EU-Recht, „aber Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte das einfach nicht umgesetzt“, kritisiert Burger. Ein neues Gesetz sei in Arbeit. „Die Stromerzeuger warten nur darauf.“. So will etwa Isar-II-Betreiber Preussenelektra am AKW-Standort Brokdorf Europas größten Batteriespeicher mit bis zu 800 MW entwickeln.

„Batteriespeicher haben den Vorteil, dass man sie dezentral aufstellen kann, um die Erzeugung von Wind- und Solarstrom zu puffern.“ Das ist wichtig: Gibt es zu viel grünen Strom im Netz, werden die Anlagen abgeregelt, gibt es zu wenig, laufen Ersatzkraftwerke – beides kostet Geld.

Laut Christoph Kost, Leiter der Abteilung Energiewirtschaft beim ISE, liegen die Kosten bei „acht bis zehn Cent pro gespeicherter Kilowattstunde“. Der Gedanke: „Wir haben morgens und abends jeden Tag die gleiche Verbrauchsspitze. Es gibt also einen Markt für Speicher, die kurzfristig günstig Stromüberschüsse einkaufen und dann bei Bedarf teurer abgeben.“ Perspektivisch seien weitere moderate Kostensenkungen zu erwarten.

Biogas

2023 haben Biomasseanlagen mit rund neun GW Leistung fast zehn Prozent zur deutschen Stromerzeugung beigetragen. Durch das bisher auf Kraft-Wärmekopplung ausgelegte Förderregime entfalten sie ihr Potenzial für das Stromnetz aber nicht, erklärt Kost: „Die bestehenden Anlagen laufen bisher den ganzen Tag durch. Dadurch verbrennen wir das relativ teure Biogas aber auch, wenn wir ausreichend Wind- und Solarstrom hätten.“ Gereinigtes Biomethan kostet zwischen sechs und zwölf Cent die Kilowattstunde. Deshalb „müssen wir die Anlagen flexibilisieren: Die Turbinen brauchen mehr Leistung, damit sie das Gas dann verstromen, wenn es auch wirklich gebraucht wird.“ Seit 2022 werden deshalb vor allem Biomethan-Spitzenlastkraftwerke gefördert, die primär Strom erzeugen sollen. Die Betreiber kritisieren die gebotenen Garantiestrompreise aber als zu niedrig: 2023 wurden deshalb nur rund 110 elektrische Megawatt Biomassekraftwerke zugebaut. Gleichzeitig gilt die Konkurrenz um Ackerflächen und Biomasse als hoch, das Potenzial ist deshalb auch natürlich begrenzt.

Wasserstoff

Grüner Wasserstoff spielt heute fast keine Rolle in der Energiewirtschaft, künftig soll aber eine Flotte an Wasserstoff-Gaskraftwerken Phasen ohne Wind und Sonne überbrücken. „2030 werden wir Wasserstoff in Deutschland für etwa 15 Cent die Kilowattstunde herstellen können, 2040 sind es wahrscheinlich zehn Cent“, erklärt Christoph Kost. Zum Vergleich: Russisches Pipelinegas wurde für rund zwei Cent importiert. „Zur wirtschaftlichen Produktion von Wasserstoff benötigen wir mehr Solar- und Windkraftwerke, sodass der Börsenstrompreis in 3000 bis 4000 Stunden im Jahr unter fünf Cent liegt“, so Kost. Er hält europäischen Wasserstoff für wettbewerbsfähig, denn auch an den weltbesten Standorten werde es kaum mehr als 5000 günstige Volllaststunden geben, dazu kämen Transportkosten. Durch den teuren Wasserstoff werden die Stromkosten der Back-up-Kraftwerke jenseits der 20 Cent liegen.

Verbrauch

Unter diesen Gegebenheiten wäre ein grünes Stromsystem teurer als vor der Krise. Aber sowohl die leistungsschwachen Netze als auch die statischen Verbrauchspreise kommen aus einer konventionellen Logik, die für volatilen Grünstrom nicht funktioniert. Schon heute schwanken die Börsenstrompreise teilweise um hunderte Prozent innerhalb eines Tages, um das jeweils günstigste Kraftwerk für den aktuellen Strombedarf zu ermitteln. Verbraucher jedoch haben durch die künstlichen Einheitspreise keinen Anreiz, Phasen mit wenig Wind- und Sonnenstrom zu meiden – deshalb laufen teure Gaskraftwerke (später mit Wasserstoff) öfter als nötig.

Christoph Kost hält flexible Stromtarife deshalb für wichtig: „Gerade die E-Mobilität bietet da große Chancen, weil das Auto den Großteil des Tages steht.“ Das geht vollautomatisch, auch Wärmepumpen sind durch den Wärmepuffer des Hauses relativ flexibel. Der Markt helfe dann, die Erzeugung zu entlasten: „An der Strombörse sehen wir immer mehr Stunden, in denen der Strompreis in der Nähe von null Cent liegt“, so der Wissenschaftler. Lastverschiebungen in diesen Phasen würden die Strompreise schon heute deutlich senken. Über allem steht jedoch der Netzausbau: Je besser Europa vernetzt ist, desto wahrscheinlicher ist es, zum richtigen Zeitpunkt dankbare Anbieter oder Abnehmer und damit gute Preise für Strom zu finden.

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