Tag der Entscheidung: Wird der Bitcoin hoffähig?

von Redaktion

Washington – Er gilt als Anarchowährung, die unter anderem von Hackern und Kriminellen benutzt wird – ab dieser Woche könnte sie aber hoffähig werden: Die US-Börsenaufsicht SEC wird am heutigen Mittwoch in Washington entscheiden, ob sie ETF genannte Indexfonds auf die Kryptowährung Bitcoin zulässt. Tut sie das, wird das einst als Parallelwährung erdachte Internetgeld Teil des etablierten Finanzsystems. Dann dürfen auch Versicherungen oder Pensionsfonds das Kapital ihrer Kunden in das Internetgeld investieren.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Zulassung kommt. „Ich bin mir da zu 90 Prozent sicher, aber man kann sich natürlich irren“, sagt Professor Philipp Sandner vom Blockchain Center der Frankfurt School of Finance. Und die großen Finanzdienstleister stehen auch schon in den Startlöchern. So reichten unter anderem der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock, der Fondsriese und der ETF-Anbieter Wisdom Tree am Montag entsprechende Formulare für die Zulassung von Bitcoin-ETFs ein. Segnet die SEC die Anträge ab, könnte die Produkte im Laufe der Woche in den Handel gehen.

Finanzprodukte, die den Kurs des Bitcoin abbilden, gibt es bereits. Vor allem mit Derivaten und Zertifikaten kann man bisher auf den Bitcoin-Kurs wetten. Auch ETFs auf den Bitcoin gibt es bereits. Sie bilden aber nur das Auf und Ab von Terminkontrakten ab, sogenannten Futures. Mit den neuen Produkten treten nun nicht nur die etablierten Finanzriesen in das Krypto-Geschäft ein, das in den ETF steckende Geld der Kunden wird erstmals auch direkt in Bitcoin investiert. Experten erwarten deshalb Milliardenzuflüsse in die Netzwährung – und womöglich entsprechende Wertzuwächse. Fans und Spekulanten wetten deshalb schon seit Monaten auf die Zulassung und investieren kräftig in Bitcoins. Seit Oktober ist dessen Kurs von rund 25 000 auf zuletzt über 45 000 Dollar gestiegen, seit Januar 2022 hat er sich sogar verdoppelt.

Glaubt man den Bitcoin-Enthusiasten, könnte der Trend anhalten. Die britische Bank Standard Chartered kann sich bis Ende 2025 sogar eine Vervierfachung auf 200 000 Dollar vorstellen, sofern die Zulassung durch die SEC wirklich kommt. „Doch solche Vorhersagen sind mit Vorsicht zu genießen“, warnt Blockchain-Professor Philipp Sandner. Denn am Krypto-Markt gibt es immer wieder auch schmerzhafte Crashs. Auch wegen Skandalen: So stürzte der Bitcoin-Kurs von Herbst 2021 bis Frühjahr 2023 um rund 80 Prozent ab. Unter anderem kollabierte damals die riesige Kryptobörse FTX, und ihr Gründer Sam Bankman-Fried wanderte wegen Finanzvergehen ins Gefängnis. Mal fielen die Kurse aber auch nur wegen enttäuschter Hoffnungen.

Ähnliches droht, falls die SEC die Bitcoin-ETFs doch nicht zulässt. „Das Risiko gibt es, denn eine Zulassung wäre auch eine politische Entscheidung“, sagt Finanzexperte Sandner. Mit ihr würde man immerhin eine von Hackern erdachte Anarcho-Währung zum vollwertigen Finanzprodukt adeln und für Privatanleger zur Altersvorsorge freigeben. Eine schwere Entscheidung, die die SEC am Mittwoch möglicherweise auch vertagen könnte, um es sich noch einmal genauer zu überlegen. Es wäre übrigens nicht der erste Aufschub.

ANDREAS HÖSS

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