München – Der Staat betreibt „Missmanagement“ mit seiner Wohnungsbaupolitik. Diesen Vorwurf haben gestern Verbände erhoben, die sich zum Bündnis „Soziales Wohnen“ zusammengeschlossen haben. Dazu zählen der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft IG BAU, die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie sowie zwei Verbände der Bauwirtschaft. Ihre beim Pestel-Institut in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis: Knapp 1,1 Millionen Sozialwohnungen gibt es in Deutschland – 910 000 fehlen, also fast eine Million. Allein in Bayern gibt es den Zahlen zufolge 195 000 Sozialwohnungen zu wenig.
Das Fehlen von Sozialwohnungen führt dazu, dass Betroffene häufig in regulären Mietwohnungen leben. Der Staat unterstützt die Mieter mit Zuschüssen, entweder mit Wohngeld oder mit einer Beteiligung an den Kosten für die Unterkunft. Der ungewollte Nebeneffekt: „Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren“, sagte Pestel-Institutsleiter Matthias Günther gestern bei der Präsentation der Studienergebnisse.
Dabei zahle der Staat sogar Mieten, die oft deutlich über dem Durchschnitt lägen. Die notwendigen staatlichen Ausgaben für das Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft seien „geradezu explodiert“, kritisierte er. „Am Ende profitieren davon allerdings vor allem die Vermieter.“
„Wenn ich Geld in ein System gebe, dann steigen am Ende die Preise – das gilt für Mietwohnungsmärkte genauso“, meint Günther. Beispiel München: Laut der Studie ist die bayerische Landeshauptstadt Spitzenreiter bei diesen „Turbo-Mieten“. Die von den Job-Centern gezahlten Mieten bei den Kosten der Unterkunft hätten in München mit 19,40 Euro pro Quadratmeter rund 6,60 Euro über der Münchner Durchschnittsmiete gelegen – also 50 Prozent mehr. Unterm Strich habe der Staat dadurch allein in München eine Millionensumme an „Mehr-Miete“ bezahlt – Monat für Monat. Bundesweit würden jedes Jahr nur bei den Kosten der Unterkunft im Vergleich zur Durchschnittsmiete rund 700 Millionen Euro an Mehrkosten entstehen.
Wie ließe sich das Problem lösen? Geht es nach dem Verbände-Bündnis, ist ein grundsätzliches Umdenken erforderlich. Fördergelder müssten in den Neubau fließen und weniger in die Mietmärkte. „Denn jede einmalige Förderung, durch die eine neue Sozialwohnung entsteht, erspart dem Staat erhebliche Summen, die er sonst auf Dauer für Mietzahlungen ausgeben müsste“, sagte Studienleiter Günther.
Wo soll aber das staatliche Geld für Sozialwohnungen herkommen? Das Verbände-Bündnis forderte gestern von Bund und Ländern 50 Milliarden Euro für die Förderung von sozialem Wohnraum. Fraglich bleibt, ob das Lockermachen von so viel Geld angesichts der Haushaltslage realistisch ist. Bleibt das Staatsgeld für den Bau neuer Wohnungen aus, ist daher ein anderes Szenario realistischer, sofern man der Argumentation der Studie folgt: Wohnraum wird in den kommenden Jahren noch knapper, insbesondere für Menschen mit wenig Geld – und die Mieten steigen weiter.