München – Es ist frostig geworden diesen Januar in Deutschland. Das ist auch der Monat mit den höchsten Gasverbräuchen, weiß Sebastian Heinermann. „Selbst bei extremer Kälte ist eine Gasmangellage aber nicht mehr zu befürchten“, beruhigt der Geschäftsführer der Initiative Energie Speichern (Ines). In ihr sind Betreiber deutscher Gas- und Wasserstoffspeicher organisiert.
Die aktuellen Temperaturen lägen im Rahmen eines vorab berechneten Normalszenarios, das deutschen Gasspeichern einen Tiefstand Mitte März von 54 Prozent voraussagt, erklärt der Experte. Selbst bei einer unverhofften und lang anhaltenden Kältewelle würden 14 Prozent Füllniveau diesen Winter nicht unterschritten. Aber Meteorologen würden im Gegenteil bald wieder wärmeres Wetter vorhersagen.
Das Gespenst eines Gasnotstands hat damit seinen Schrecken nach dem Wegfall von Lieferungen aus Russland schnell wieder verloren. Zu 91 Prozent sind die Speicher aktuell noch befüllt. Im Schnitt früherer Jahre waren es zu Beginn eines Januars nur rund 80 Prozent. Das signalisiere sichere Versorgung, betont Heinermann.
Vom Himmel gefallen ist das nicht. „Es wird Energie gespart“, sagt der Ines-Chef. Das treffe auf alle Abnehmer von Gaskraftwerken über die Industrie bis zu Privathaushalten und Gewerbe zu. Wer in welchem Ausmaß auf die Gasbremse tritt, könne er nicht sagen. Wenn es frostig wird, würden zwar private Gasheizungen für sprunghaften Verbrauchsanstieg sorgen. Jeder trage aber seinen Teil zur Drosselung bei. Das gilt auch für den Klimawandel, der allgemein höhere Temperaturen und zuletzt einen ausgesprochen milden November und Dezember beschert hat.
Auf das gesamte Jahr 2023 gerechnet, das erste komplett ohne russisches Pipelinegas für Deutschland, haben alle Spareffekte zusammen den heimischen Erdgasverbrauch um fünf Prozent auf 830 Terawattstunden (TWh) gesenkt. Das allein hätte das Fehlen von russischem Pipelinegas aber nicht ausgleichen können. 70 TWh hat voriges Jahr Flüssiggas (LNG) beigesteuert. 2022 brachte LNG für die deutsche Versorgung mit einer TWh noch so gut wie nichts.
Hauptsächlich sei 2023 vor allem deshalb kein Gasmangel entstanden, weil im Jahresvergleich etwa zwei Drittel weniger Erdgas in Nachbarstaaten exportiert wurde, erklärt Heinermann. In den betroffenen Ländern habe das aber auch nicht zu einem Gasmangel geführt. „Wir haben uns nicht unsolidarisch verhalten“, betont er. Allenfalls andernorts höhere Gaspreise habe das deutsche Verhalten ausgelöst. Sicher sei die Erdgasversorgung EU-weit. Ob auch russisches LNG dazu beiträgt, kann Ines nicht sagen. „Das entzieht sich unserer Kenntnis“, gesteht Heinermann. Gerüchte über russisches LNG, das auch an deutschen Terminals anlandet, halten sich hartnäckig.
Versorgungssicherheit sei in jedem Fall gewährleistet, betont der Ines-Chef. Nur wenn Deutschland von norwegischen Gasimporten gekappt würde, könnte sich daran schnell und spürbar etwas ändern. Dazu bräuchte es aber schon gewaltsame Anschläge auf Leitungen und Anlandepunkte.
Entspannt sind die Betreiber deutscher Gas- und Wasserstoffspeicher dennoch nicht. Das hat mit Wasserstoff zu tun, der einmal das neue Rückgrat der Energieversorgung sein soll. Denn in den Plänen für ein deutsches Wasserstoffnetz seien Speicher bisher kaum berücksichtigt, klagt Ines. Flexibel gehalten werden solle ein künftiges Wasserstoffnetz vor allem durch Importe. Das schaffe aber bei stark fluktuierendem Verbrauch notgedrungen Überkapazitäten, die in Zeiten von niedrigem Bedarf wie im Sommer dann brachliegen und hohe Kosten verursachen, warnt Ines. Das jetzige System mit Speichern habe sich gerade auch in der Energiekrise bewährt. Insofern ist ein künftiges Wasserstoffnetz in Deutschland derzeit strittiger als die Versorgung mit Erdgas in diesem und auch dem nächsten Winter.
Industrie und Privathaushalte: Alle sparen Gas
Wasserstoff soll einmal Rückgrat der Versorgung sein