„Das wird kein zweiter VW-Skandal“

von Redaktion

München – Das Kraftfahrtbundesamt hat gegen BMW ein Anhörungsverfahren wegen einer unerlaubten Abschalteinrichtung gestartet. Betroffen ist das SUV-Modell X3 20d aus den Baujahren September 2010 bis März 2014 (wir berichteten). BMW und Kraftfahrtbundesamt äußern sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht. Wächst sich das zum zweiten VW-Skandal aus? Und was ist eine unerlaubte Abschalteinrichtung? Das haben wir Motorenexperte Professor Hermann Rottengruber von der Uni Magdeburg gefragt, der vor seiner Unilaufbahn unter anderem bei BMW gearbeitet hat.

Herr Rottengruber, es gibt Ermittlungen gegen BMW wegen einer unerlaubten Abschalteinrichtung. Wie schätzen Sie das ein?

Das ist schwer zu beurteilen, wenn man die Vorwürfe nicht genau kennt. Womöglich handelt es sich um einen Fehler in der Software, BMW hatte schon einmal ein ähnliches Problem. Das wäre mit einem Software-Update aber schnell behoben.

Unter anderem sollen die Abgase des BMWs geringer gewesen sein, wenn die Klimaanlage aus war.

Dass der Abgasausstoß sinkt, wenn die Klimaanlage aus ist, ist eigentlich logisch: Damit fällt ja ein Verbraucher weg, was die Belastung für den Motor senkt. Daraus einen Betrug mit einer illegalen Abschalteinrichtung zu konstruieren und den dann gerichtsfest nachzuweisen, halte ich für extrem schwierig. Aber noch ist es unklar, ob es sich nur um die Sache mit der Klimaanlage handelt.

Um was könnte es sonst noch gehen?

Die Umwelthilfe hat auch immer wieder Autobauern vorgeworfen, dass sie statt eines erlaubten Thermofensters eine illegale Abschalteinrichtung verwenden.

Das müssen Sie erklären.

Die Abgasrückführung ist das wichtigste Werkzeug, um die Entstehung von Schadstoffen wie Stickoxiden im Motor zu verhindern. Das Abgas wird dabei durch Röhren zum Motor geleitet. Ist die Außentemperatur zu kalt und auch der Motor noch nicht warm, kondensiert das Abgas dort und verstopft die Leitungen auf Dauer. Das führt zu Problemen bei der Abgasreinigung oder sogar am Motor. Um das zu verhindern, muss man die Abgasrückführung ab einer gewissen Temperatur aussetzen. Das macht jeder Hersteller zum Schutz des Motors und das ist auch erlaubt. Die Frage ist nur, ab wann man die Reinigung abschaltet.

Tut BMW das sehr früh?

Nein. BMW hat schon immer viele SUV in den USA verkauft und da gibt es strengere Regeln für solche Thermofenster als bei uns in Europa. Deshalb hat BMW hier vergleichsweise viel in Entwicklungsarbeit investiert, Edelstahl und hochwertige Materialien verbaut. Deshalb schaltet BMW die Abgasrückführung in der Regel erst bei relativ kalten Temperaturen ab. Andere Hersteller wie Mercedes-Benz sind da nicht so gut.

Wo hört denn das erlaubte Thermofenster auf und wo fängt der Betrug an?

Das ist eine juristische Entscheidung. Bisher war es aber meist dann juristisch problematisch, wenn die Abgasreinigung schon bei sieben Grad oder auch mit warmem Motor abgeschaltet wurde. Früher wurde ja auf dem Prüfstand nur mit warmem Motor und erst ab sieben Grad Außentemperatur getestet. Das war kein besonders realistischer Test, aber so waren die Gesetze eben, weshalb die Autobauer versucht haben, nur diese Vorgaben zu erfüllen.

Die Umwelthilfe hat zuletzt ja einige Hersteller verklagt, nicht nur BMW. Sind diese Fälle Ihrer Meinung nach alle mit dem VW-Skandal vergleichbar?

Nein. Bei VW hat man den Motor komplett anders eingestellt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand war. Da war wirklich kriminelle Energie dahinter. Dagegen sind Ausweitungen des Thermofensters und die aktuellen Untersuchungen wohl eher eine Ermessensfrage.

Die Probleme bei BMW werden also nicht solche Ausmaße bekommen?

Nein. Wenn hier nicht noch spektakuläre Enthüllungen ans Licht kommen – und davon gehe ich momentan nicht aus – wird das aus meiner Wahrnehmung kein zweiter VW-Skandal.

Interview: Andreas Höß

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