Uwe Böhm (53) war am ersten Streiktag in München unterwegs. Der Landesvorsitzende der GDL Bayern besuchte die Streikposten am Hauptbahnhof und in Pasing. Im Interview macht er wenig Hoffnung auf eine rasche Einigung zwischen DB und der Lokführer-Gewerkschaft.
Herr Böhm, wie ist die Streik-Beteiligung am ersten Tag?
Die Beteiligung ist sehr gut. Wir haben eine hohe Motivation unter den Kolleginnen und Kollegen. Die sagen mir: Macht weiter. Was die natürlich zusätzlich auf die Palme gebracht hat, waren die hohen Boni-Zahlungen an die DB-Vorstände.
Sie meinen die Ausschüttung von fünf Millionen Euro an DB-Vorstände – und das trotz sinkender Pünktlichkeit der Züge, weil das mit anderen Zielvereinbarungen verrechnet wurde.
DB-Chef Richard Lutz hat umgerechnet einen Verdienst von 6000 Euro am Tag – das muss man sich mal vorstellen. Hingegen erhält eine Mitarbeiterin in der Bordgastronomie im Monat 2300 Euro im Einstieg. Die muss aber in Schicht arbeiten und auch öfters auswärts übernachten. Die Geschäftsführer der privaten Bahnen, Länderbahn oder Agilis, erhalten bei Weitem nicht das Gehalt eines DB-Vorstands, auch wenn man das ins Verhältnis mit der Mitarbeiterzahl setzt.
Die Wortwahl der GDL ist deftig: Die DB-Manager werden als Nieten in Nadelstreifen beschimpft. Sogar als Lügner. Woher dieser Hass?
Das ist kein Hass, das ist eine Pointierung. Und es ist ja auch ein Stück Wahrheit. Das Verhalten der DB-Chefetage macht uns rasend. Und tatsächlich belügt (DB-Personalvorstand) Seiler die Presse, wenn er sagt, die DB biete jetzt eine Absenkung der Arbeitszeit an. Na klar, wenn das Personal es selbst mit Einkommensverlusten zahlt.
Trotz des Streiks gibt es Lokführer, die fahren. Wer eigentlich?
Rund 800 Lokführer in Bayern sind Beamte, sie dürfen nicht streiken. Außerdem versucht die Bahn, leitendes Personal während der Streikzeit zum Fahren zu gewinnen, etwa Gruppenleiter oder Ausbilder. Es gibt natürlich auch Lokführer, die in keiner Gewerkschaft sind, auch sie sind weiterhin auf der Strecke.
Machen Sie uns doch etwas Hoffnung: Ist es denn denkbar, dass der Streik vorzeitig endet – weil es vielleicht doch eine Einigung gibt?
Ich sehe keine Anzeichen dafür. Ich befürchte im Gegenteil, dass es noch einen weiteren Streik geben wird. Die DB stellt sich fürchterlich an. Dabei hat die GDL mittlerweile mit 18 Unternehmen sehr gute Tarifabschlüsse erzielt – für 10 000 Eisenbahner insgesamt.
Gibt es eigentlich eine Grenze der Streikdauer?
Nein, eine gesetzliche Regelung, die einen Streik zeitlich begrenzen würde, gibt es nicht.
Interview: Dirk Walter