Münchner Industrie setzt auf Geothermie

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

Karlsfeld – Um ihre Produktion klimafreundlicher zu machen und die Abhängigkeit von Erdgas zu verringern, sind Münchner Konzerne zunehmend auf der Suche nach alternativen Energiequellen. Spätestens seit dem Winter 2022, als eine drohende Gasmangellage viele Firmen zum Energiesparen zwang, scheinen die Projekte bei einer Energieart immer konkreter zu werden: der Erdwärme genannten Geothermie. Am Freitag hat der Münchner Lkw-Hersteller MAN nun angekündigt, eine große Geothermieanlage aufzubauen, um sein Werk in Karlsfeld mit Erdwärme zu versorgen.

In Geothermie-Kraftwerken wird heißes Wasser aus rund 2000 Metern Tiefe an die Erdoberfläche gepumpt, wo ihm die Wärme entzogen wird. Danach wird es zurück in den Boden geleitet, wo es sich wieder aufwärmt. So entsteht ein praktisch endloser Kreislauf, der rund um die Uhr nahezu klimaneutrale Wärmeenergie produziert – unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. Wegen der geologischen Gegebenheiten ist die Region um München besonders gut für diese Art der Energiegewinnung geeignet, die zudem für Industriekonzerne sehr interessant ist: Die Unternehmen müssen in der Regel riesige Werkhallen und Bürokomplexe heizen, zudem benötigen sie etwa in Trockenanlagen oder Öfen sogenannte Prozesswärme. Bisher werden dafür meist Unmengen an Erdgas verfeuert. Das ist aber nicht nur klimaschädlich, sondern seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine auch teuer.

Auch bei MAN heizt man bisher mit Gas. Das soll bald anders werden: Der Lkw-Hersteller hat sich einen sogenannten „Claim“ für Geothermie nördlich des Werksgeländes in Karlsfeld gesichert. Momentan wird dort nach einer geeigneten Bohrstelle gesucht, ab 2025 soll dann gemeinsam mit einem Partner gebohrt werden. Läuft alles gut und kommen die Genehmigungen rechtzeitig, steht die Erdwärme ab 2026 zur Verfügung.

Das Spannende: Die Gemeinde ist mit an Bord und will die Anlage in ihr Fernwärmenetz integrieren. Das wird bisher von einem Hackschnitzel-Kraftwerk gespeist, das rund ein Viertel der Einwohner versorgt. „Das hat Pionier-Charakter“, sagt Produktionsvorstand Michael Kolbinger von MAN. Das Projekt könne einen wichtigen Beitrag leisten, damit die Region künftig weniger auf Öl und Gas angewiesen sei. Für die Gemeinde sei das ein wichtiger Schritt, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, bestätigte Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). „Wir wollten schon vor 20 Jahren in die Geothermie einsteigen, was damals aber noch nicht möglich war.“ Durch die Kooperationen könne man die Wärmequelle hoffentlich bald erschließen.

MAN ist nicht das einzige Unternehmen in der Region, das auf Geothermie setzt. Auch BMW will sein Stammwerk in Milbertshofen klimaneutral machen und liebäugelt dabei mit Geothermie. Man sei in intensiven Gesprächen mit potenziellen Partnern wie den Stadtwerken München, sagte ein Sprecher. Noch gebe es aber nichts Konkretes. Weiter ist man beim Dax-Konzern MTU, der ebenfalls unabhängig von Gas werden will – und bereits bohrt.

Der Kopf des Bohrturms auf dem Werksgelände des Triebwerkherstellers dreht sich seit Anfang Januar. Vergangene Woche wurden die Standrohrbohrungen abgeschlossen, nun wird der Bohrkopf bis zu sieben Meter pro Stunde weiter in das Erdreich getrieben. 180 Meter ist er schon vorgedrungen. „Läuft alles planmäßig, werden die Tiefbohrarbeiten bis Mitte 2024 abgeschlossen sein“, sagt MTU-Sprecher Markus Wölfle. „Ab Mitte 2025 soll dann die Erdwärme für die Versorgung des Werksgeländes zur Verfügung stehen.“

Dass MAN und MTU, die in Karlsfeld direkte Nachbarn sind, nicht gemeinsam bohren, hat übrigens einen einfachen Grund: Ein Vorkommen hätte für die zwei Firmen und die Gemeinde einfach nicht ausgereicht, sagen beide.

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