Zirndorf – Es ist wie eine Stimme aus dem Jenseits. „Playmobil wurde weder von Erwachsenen und anfangs auch nicht von Kindern so besonders toll empfunden“, sagt der 2015 verstorbene Horst Brandstätter in einem Firmenvideo. Es habe ihn überrascht, wie wichtig die siebeneinhalb Zentimeter kleinen Plastikfiguren dann geworden sind, gesteht der langjährige Alleineigner.
Aus den drei Prototypen Indianer, Bauarbeiter und Ritter, die erstmals Januar 1974 in Nürnberg zur Spielwarenmesse präsentiert wurden, sind im vergangenen halben Jahrhundert fast vier Milliarden geworden. Sie gruppieren sich um rund 40 Spielthemen von Bauernhof über Ritterburg bis zum Piratenschiff.
Eigentlicher Vater ist aber nicht der gelernte Formenbauer Brandstätter, sondern sein ebenfalls schon verstorbener Mustermacher Hans Beck. Als Chefentwickler der Franken hat er sich das Prototypentrio am Firmensitz Zirndorf bei Nürnberg vor 50 Jahren ausgedacht. Gefertigt werden die in Einzelteile zerlegbaren und wieder neu kombinierbaren Figuren immer noch in Franken sowie auf Malta und damit komplett in Europa. Zu drei Vierteln stammen Spielwaren heute aus China. 1976 gesellten sich zu Playmobil-Männchen erste weibliche Figuren. 1994 erhob das Landgericht Nürnberg das Plastikvolk in den Rang von Werken der angewandten Kunst. Heute kennen 96 Prozent der Deutschen Playmobil.
In Kinderhänden war es lange eine blaue Marke. So nennt die Branche Spielwaren, die vor allem männlichen Nachwuchs begeistern. Unter anderem mit Kinder- und Baby-Figuren wollten die Playmobilmacher das in den 80er Jahren ändern. Jungenlastig ist ihr Spielzeug bis heute, auch wenn traditionelle Rollenbilder aufgeweicht wurden und nicht mehr jede weibliche Figur eine Königin oder Krankenschwester ist. Was bis heute blieb, ist ein Bekenntnis zum gewaltfreien Spielen. Einziges Zugeständnis sind Pistolen für Playmobil-Cowboys oder Polizisten. Playmobil hat dieses Konzept zeitweise zur umsatzstärksten deutschen Spielwarenmarke gemacht.
Der Anfang vom Abstieg bei Playmobil war Brandstätters Tod Mitte 2015. Weil der seinen Söhnen die Firmennachfolge nicht zugetraut hatte, kam der Spielwarenhersteller unter Kontrolle einer Doppelstiftung, was rasch Führungsprobleme provozieren sollte. Bewährte Manager gingen, weniger kundige kamen, blieben aber auch nicht lange.
Um modernen Zeiten gerecht zu werden und vermeintlich auf den Spuren des großen dänischen Vorbilds Lego zu wandeln, wurde ein Playmobil-Film produziert. Er kam 2019 in die Kinos und floppte. Anderes, wie die Digitalisierung des Kinderzimmers, haben die Franken zudem bis heute verschlafen, was Branchenkenner in den letzten Jahren immer wieder kritisiert haben. Auch Atmosphärisch hakte es zuletzt in Zirndorf. „Angespannt, konfliktbeladen und von Misstrauen geprägt“ sei das Verhältnis zwischen Management und Personal, erklärte jüngst ein Vertreter der bei Playmobil aktiven Gewerkschaft IG BCE. Beschäftigte sprechen von einem Klima der Angst und Mobbing. Das Unternehmen selbst widerspricht. Für kreatives Schaffen sorgt eine solche Stimmung aber nicht, was auch eine Erklärung für aktuelle Probleme sein dürfte. In der Branche wird von massiven Marktanteilsverlusten gemunkelt. Zuletzt hatte Playmobil die Streichung von 700 der weltweit 4000 Arbeitsplätzen angekündigt.