München – Die Preise für Gas und Strom kennen derzeit nur eine Richtung: Nach unten. Während die Preise für die Industrie weiter hoch sind, können Verbraucher ihre Energie fast schon wieder auf Vorkrisenniveau kaufen.
Gas
Die Gaspreise liegen am europäischen TTF-Markt aktuell bei rund 26 Euro die Megawattstunde, selbst russisches Pipelinegas kostete vor der Krise rund 20 Euro. Grund sind stabile Pipelinelieferungen aus den europäischen Erzeugerländern und der weiter geringe Gasverbrauch der deutschen Verbraucher und der Industrie. Beide Effekte drücken die Margen der preissetzenden Flüssiggas-Lieferanten. Die Termingeschäfte für 2024 und 2025 werden erstmals seit Jahren unter 30 Euro gehandelt, was Versorgern Spielraum für günstige Angebote liefert.
Der Abwärtstrend stemmt sich damit erfolgreich gegen eigentliche Krisenmeldungen: Ende Januar hatte die Biden-Regierung in den USA mehrere LNG-Projekte auf den Prüfstand gestellt. Die USA sind inzwischen der größte Flüssiggasexporteur der Welt. Weshalb die Panik ausgeblieben ist, weiß Claus Niegsch, Branchenanalyst bei der DZ-Bank. „Die USA arbeiten gerade daran, ihre LNG-Exportkapazitäten bis 2028 zu verdoppeln“, so Niegsch. „Die Regierung von Joe Biden hat geplante Projekte, die noch später realisiert werden sollen, weitgehend gestoppt und lässt sie prüfen.“ Konkret wolle Biden prüfen lassen, ob die Methan-Emissionen in der Lieferkette das Klima übermäßig schädigen. Doch das sei mittelfristig kein Problem: „Selbst wenn Biden die Projekte stoppt, würden wir das in Europa erst mal nicht spüren, weil sich die Kapazitäten mittelfristig trotzdem verdoppeln werden“. Auch in Afrika und Katar würden die Kapazitäten für die wachsende Nachfrage ausgebaut. Er hält das Biden-Memorandum für ein Wahlkampf-Thema. Sollte sich im November Bidens Konkurrent Donald Trump durchsetzen, würden die Projekte wahrscheinlich freigegeben, weil dieser sich nicht um Klimaschutz schert: „Sollten die Projekte doch durchgesetzt werden, käme es ganz langfristig zu einer Verdreifachung der US-Kapazitäten im Vergleich zu heute.“
Mehr Gas am Weltmarkt ist gut für die deutschen Energiepreise: „Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit von großen Preissprüngen deutlich geringer, wenn mehr Gas am Markt ist“. Für die Energieversorgung sind die USA aber nicht entscheidend: „LNG ist als Preissetzer wichtig, sollte aber nicht überbewertet werden: Flüssiggas hat 2023 nur 6,4 Prozent der deutschen Importe ausgemacht, wovon 80 Prozent aus den USA stammten.“
Strom
Beim Strom hilft die diesen Winter rekordstarke Windkraft: Nach Daten der Fraunhofer Energy Charts stellte Windenergie auch in den ersten beiden Februarwochen mehr als die Hälfte der öffentlichen deutschen Erzeugung, Erneuerbare hatten demnach einen Gesamtanteil von rund 68 Prozent. Die Megawattstunde wird aktuell für rund 60 Euro gehandelt, für 2025 sind es 74.
Preise
Unterm Strich ist Gas an der Börse aktuell rund ein Viertel teurer als vor der Krise, beim Strom ist es rund das doppelte. Das hat vor allem mit den gestiegenen Kosten für europäische CO2-Zertifikate zu tun, die erst beim Verbrauch, also dem Verstromen, fällig werden. Für die Industrie sind die Kosten damit weiter hoch. Sie zahlt deutlich weniger Steuern, Abgaben und Umlagen als Verbraucher und bezahlt mehr oder minder direkt die Börsenpreise. Für Verbraucher machen die Börsenpreise aber laut Branchenverband BDEW nur rund die Hälfte der Gesamtkosten pro Kilowattstunde aus. Weil andere Bestandteile wie die Netzentgelte deutlich konstanter sind und die EEG-Umlage 2022 abgeschafft wurde, bewegen sich die günstigen Neukundentarife aktuell sogar unter dem Vorkrisenniveau.
Aktuell am Markt kaum eingepreiste Risiken sind die hohe Abhängigkeit einiger europäischer Länder von russischem Gas und das Potenzial für mehr Nachfrage in Europa und Asien durch Industrie, Haushalte und Stromerzeugung.
. Tipp für Verbraucher
Haushaltsstrom ist für Neukunden günstiger als vor der Krise. Laut dem Vergleichsportal Verivox liegt der Durchschnitt der günstigsten deutschen Stromtarife bei 25,9 Cent die Kilowattstunde, inklusive Grundgebühr. 2019 waren es bei vergleichbaren Tarifen demnach rund 26,4 Cent. Laut Verivox-Sprecher Lundquist Neubauer liegt das am hohen Anteil von Zusatzkosten: „Die Beschaffung und die Netzentgelte sind zwar immer noch teurer als 2019, aber die Abschaffung der EEG-Umlage hat das überkompensiert.“ Die Preise fallen seit Wochen konstant, allerdings ist angesichts der hohen Weltmarkt-Risiken auch eine Absicherung via Preisbindung sinnvoll. In München gibt es die kWh Strom laut Verivox sogar noch günstiger, beim Discountanbieter für 24,7 Cent je kWh, (2019: 26 Cent). Gas kostet im Bundesdurchschnitt 7 Cent, 2019 waren es 4,9. Die Krise hat aber gezeigt, dass der billigste Anbieter nicht zwingend der beste ist: Ein Versorger muss solide genug sein, seine Preisversprechen auch in Krisen halten zu können. Diese Sicherheit kostet oft extra.