Hamburg – Die Ware ist heiß begehrt – morgens um wach zu werden, nach dem Essen, um wach zu bleiben: Pro Jahr trinkt laut dem Daten-Portal Statista hierzulande jeder im Schnitt 167 Liter Kaffee. Zum Vergleich: Bei Bier sind es 92 Liter. Doch mit dem Klimawandel steht der Nachschub infrage. Das ist für Kaffeeliebhaber ein Problem, auch für die Kaffeeunternehmen und ihr Geschäft. Der Hamburger Kaffeekonzern Tchibo spricht nun davon, „komplett neue Wege“ gehen zu wollen. Was ist zu tun?
Die Kaffeepflanze ist sensibel. Sophie von Loeben forscht am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, PIK, zu ihr und sagt: „Zu hohe oder niedrige Temperaturen können der Pflanze schaden, genauso wie direkte Sonneneinstrahlung. Außerdem braucht es eine bestimmte Niederschlagsverteilung, und der Boden sollte reich an Nährstoffen sein.“ Ideal für die beliebte Arabica-Bohne zum Beispiel sind Temperaturen von 18 bis 22 Grad Celsius im Jahresschnitt und 1400 bis 2000 Millimeter Regen im Jahr.
Der Kaffeestrauch wächst bisher nur in einer eng begrenzten tropischen Lage, im Kaffeegürtel rund um den Äquator. Im Grunde gibt es dort nur Regen- und Trockenzeiten. Mittlerweile kommen aber Dürren, Starkregen, in den Höhen auch mal Frost dazu. Das schwächt die Pflanzen, macht sie auch anfällig etwa für schädliche Pilze wie den Kaffeerost. „Das schlägt sich dann sofort in Ertrag und Qualität des Kaffees nieder“, erklärt von Loeben. Mit dem Klimawandel wird Kaffee knapper, damit teurer – und der Anbau mancherorts unmöglich.
Denn von Loeben sagt weiter: „Bis 2050, so zeigen Studien, könnte die für den Kaffeeanbau bisher geeignete Fläche um circa die Hälfte schrumpfen“, sagt von Loeben. Das beträfe unter anderen die Kaffeefarmer in Brasilien, die vorwiegend Arabica ernten. In dem südamerikanischen Land wird bisher so viel Kaffee angebaut und exportiert wie nirgends sonst. Andernorts, etwa in Äthiopien, das für besonders guten Kaffee bekannt ist, könnten künftig nicht mehr die besser bezahlten Spitzenqualitäten erzielt werden.
Sicher werde sich der Anbau teils in neue Regionen verlagern, in höhere Höhen, in kühlere Gefilde. Doch seien andere Flächen nicht so einfach zu haben, da oft bewaldet oder schon anderweitig landwirtschaftlich genutzt. Außerdem könnten viele Bauern auch nicht einfach mal so umziehen. Bleibt alles beim Alten, werden viele der weltweit 12,5 Millionen Kaffeefarmer aufgeben. Das will Tchibo verhindern, den Kaffee retten.
1949 von den Kaufleuten Max Herz und Carl Tchilling-Hiryan in Hamburg gestartet, um Kaffee in Deutschland per Post zu versenden, ist Tchibo heute einer der zehn größten Kaffeeröster der Welt. Rund 75 000 Kaffeefarmer liefern dafür die Bohnen aus Brasilien oder Vietnam, aus Honduras oder Guatemala und so fort. Ihnen verspricht Tchibo nun zu helfen, „ein wirtschaftlich stabiles Fundament aufzubauen“ und sich auf die heißeren Zeiten einzustellen. Denkbar sei Verschiedenes, erklärte der Leiter des Bereichs Unternehmensverantwortung bei Tchibo, Pablo von Waldenfels.
So könnten zwischen den Kaffeesträuchern Schatten spendende Obstbäume gepflanzt werden, in Vietnam könne das zum Beispiel Durian sein oder eine andere Frucht, die sich verkaufen ließe, also auch Einkommen brächte. Auch Bananen oder Avocados könnten vor der prallen Sonne schützen. Solche Agroforste, wie das Experten nennen, gelten auch als artenreicher und gesünder für den Boden als eine reine Kaffeeplantage.
Rund 20 Prozent des Tchibo-Rohkaffees hätten Gütesiegel, darunter Bio, Fairtrade oder Rainforest- Alliance. Doch sie allein reichten nicht, sagt von Waldenfels. „Oft decken die höheren Preise, die die Farmer mit ihren zertifizierten Produkte erzielen, nicht die Erzeugerkosten.“
„Vor allem ist der Markt für die Produkte mit Siegel immer noch eine Nische, zu klein und die Abnahme nicht garantiert. Das hat zu wenig Fortschritt gebracht“, sagt Friedel Hütz-Adams vom Bonner Südwind-Institut, das sich weltweit für wirtschaftliche, ökologische und soziale Gerechtigkeit einsetzt, „grundsätzlich ist es da richtig und wichtig, dass Tchibo jetzt einen eigenen Weg geht.“
Doch fordern er und Forscherin von Loeben eins zu beachten: Kaffeebauern lebten oft am Existenzminimum. Sie könnten nicht einfach neue Kaffeesorten oder Obstbäume pflanzen, um dann mehrere Jahre zu warten, bis diese Früchte trügen. Und ob sich neben Kaffee die anderen Früchte verkaufen ließen, fügt Hütz-Adams hinzu, sei ohnehin fraglich, da erst einmal Abnehmer gewonnen werden müssten. Tchibo müsse darum nicht nur die Umstellung finanziell unterstützen, sondern auch neue Marktstrukturen mit aufbauen, langfristige Verträge schließen und gute, existenzsichernde Preise garantieren.