Rückschlag für die Elektro-Mobilität

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

Washington/München – „Ihr alle wisst, ich bin ein Autotyp“. Das sagte US-Präsident Joe Biden im Herbst 2022 auf der Automesse in Detroit – und lobte zugleich den Hochlauf der Elektromobilität als Jobmotor für die US-Industrie. Nun kommt womöglich die Rolle rückwärts. Jedenfalls denkt der US-Präsident offenbar darüber nach, die Elektrifizierungsziele in den USA stark abzuschwächen.

Bisher war anvisiert, dass 2032 zwei Drittel der neu zugelassenen Fahrzeuge auf US-Straßen elektrisch sein müssen. Laut einer Anpassung, die im Laufe des Frühjahrs vorgestellt werden könnte, sollen es nun deutlich weniger sein, berichten amerikanischen Medien wie die „New York Times“. Genaue Zahlen gibt es wohl nicht, es kursieren aber Ziele von 40 bis 60 Prozent. Das mag keine komplette Kehrtwende sein, ein Rückschritt für die E-Mobilität wäre es aber allemal. Und der könnte auch Europas Verbrenner-Aus in Frage stellen.

Der Grund für die Planänderung: Biden steht beim Verkehr vier Problemen gegenüber. Erstens: Obwohl der Elektro-Pionier Tesla eine US-Marke ist, werden in Amerika bisher relativ wenig E-Autos verkauft. 2022 waren es sechs Prozent der Gesamtverkäufe, 2023 acht. Schuld sind neben hohen Verkaufspreisen und billigem Benzin auch die Defizite bei der Ladeinfrastruktur. In Europa liegt der E-Anteil dagegen bei 15 Prozent, in China bei 24 Prozent. Zweitens drängen Konzerne wie General Motors, Toyota oder Volkswagen schon länger darauf, die US-Ziele aufzuweichen. Sie haben Probleme bei der Umstellung und verdienen mit Verbrennern bisher mehr. Drittens kritisieren Gewerkschaften, die Elektrifizierung koste tausende Arbeitsplätze. Und viertens haben die Republikaner um Donald Trump das Auto längst zum Wahlkampf-Thema und damit zum ideologischen Streitpunkt gemacht.

Doch welche Signalwirkung hat der mögliche US-Schwenk auf den Rest der Welt? Jedenfalls kommt er in einer Zeit, in der auch anderenorts Elektrifizierungsziele wackeln. Großbritannien verschob im Herbst ein geplantes Verkaufsverbot von Verbrenner-Autos von 2030 auf 2035. China stellte gerade eine Autostrategie vor, in der neben Batteriefahrzeugen auch Hybride und Verbrenner, die mit Biosprit und synthetischen Kraftstoffen betankt werden, bis ins Jahr 2060 eine Rolle spielen. Und in Deutschland haben sich die Verkäufe von E-Autos im Januar auf zehn Prozent halbiert, weil die Förderung gestrichen wurde. Schon deshalb werde der Plan der Bundesregierung, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen zu haben, immer unrealistischer, sagt Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. „Stand heute werden es eher sieben oder acht Millionen.“

Auch wenn Länder wie Kanada oder Norwegen an Verbrenner-Verboten festhalten: Es gibt Bremsspuren bei der Elektrifizierung. Das bestätigt auch Auto-Experte Bratzel. Er kann sich vorstellen, dass sogar das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 in Europa wieder auf der Kippe steht. Die konservative EVP-Fraktion in der EU hat bereits angekündigt, das Verbot abzuräumen, wenn es 2026 nochmals überprüft wird. Bratzel hält das für möglich. „Mit der momentanen Stimmung und in der schwierigen wirtschaftlichen Lage kann es sein, dass es auch in der EU einen Aufschub für Verbrenner gibt und sich die Prioritäten weg vom Klimaschutz bewegen.“

Für die Hersteller ist das allerdings nicht zwingend ein Grund zum Aufatmen. Zwar verdienen viele von ihnen noch gutes Geld mit Verbrennern. Andererseits haben sie Milliarden in den wachsenden Elektromarkt investiert und zum Teil Enddaten für Diesel und Benziner geplant. Ein Kurswechsel der Politik würde das in Frage stellen.

Relativ entspannt sieht man das noch bei BMW, wo man zwar die E-Mobilität als Zukunft definiert, aber weiter alle Antriebsarten bauen will. „Wir können die Anforderungen aller Märkte und Regionen bedienen – unabhängig davon, ob sie nur auf Elektromobilität setzen oder technologieoffen agieren“, sagt ein Sprecher. Bei Audi, wo eigentlich 2033 der letzte Verbrenner vom Band laufen soll, klingt das schon anders. „Wir werden unsere unternehmerischen Planungen in den kommenden Jahren mit der regulatorischen Entwicklung und der Absatzentwicklung in den Märkten abgleichen“, heißt es dort etwas verklausuliert. Ob das in einzelnen Märkten früher oder später geschehe, „entscheiden letztlich die Kunden und die Gesetzgebung“, so Audi.

Steht der Verbrenner also vor einer Renaissance, wie es sich insgeheim mancher Politiker und Manager wünscht? Industrie-Kenner Bratzel hält diesen Traum für gefährlich. Er plädiert auch gegen eine große Laufzeitverlängerung. Nicht nur, weil die Klimaziele nur mit E-Antrieben machbar seien. Sondern auch aus industriepolitischen Gründen. „Elektroantriebe sind noch vor der Digitalisierung und dem autonomen Fahren das wichtigste Zukunftsfeld im Autobau“, sagt er. Wer überleben wolle, müsse hier bestehen – gerade im weltgrößten Automarkt China, wo schon jeder vierte Neuwagen elektrisch fährt, Tendenz schnell steigend. Konkurrenten wie BYD und Tesla haben den einstigen deutschen Platzhirschen dort längst den Rang abgelaufen.

„Kassiert die Politik alle Ausstiegspläne, verunsichert sie nicht nur die Verbraucher, sondern nimmt auch Druck von den deutschen Herstellern, weshalb diese bei der Entwicklung von Batterien und E-Antrieben nachlassen könnten“, glaubt Bratzel. „Das könnte sich rächen und ihre Position am Weltmarkt weiter schwächen.“

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