München/Berlin – Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm will in den Aufsichtsrat von Siemens Energy einziehen – und die vier übrigen Mitglieder des Gremiums legen ihr daher einen Rücktritt nahe. Grund seien „mögliche Interessenkonflikte“, der Sachverständigenrat fürchte um seine Unabhängigkeit, erklärten Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier, Achim Truger und Martin Werding.
Siemens Energy hatte die geplante Personalie im Dezember bekannt gegeben. Mit Grimm stehe eine „ausgewiesene Expertin für Energiemärkte und Energiemarktdesign sowie für Wirtschaftsfragen zur Wahl in den Aufsichtsrat“, hieß es.
Die vier übrigen Mitglieder halten beide Posten für unvereinbar. „Deshalb möchten wir dich bitten, Dich im Falle einer Wahl in den Aufsichtsrat für eines der beiden Mandate zu entscheiden“, zitiert das Portal Table.Media aus einer E-Mail. Diese ging auch an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Auch der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, Joe Kaeser, sei auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht worden.
Grundsätzlich sehe die Mehrheit im Sachverständigenrat Grimms Nominierung in den Aufsichtsrat von Siemens Energy „als Auszeichnung“. Jedoch: „Die vier nicht betroffenen Ratsmitglieder sehen übereinstimmend, dass in dieser Konstellation mögliche Interessenkonflikte bestehen.“ Zwar schließe das Sachverständigenratsgesetz von 1963 die Wahl eines Ratsmitglieds in einen Aufsichtsrat nicht aus. Jedoch habe die Sensibilisierung für Compliance-Themen zugenommen. Daher gebe es die Sorge, dass die Personalie „die Wahrnehmung des Rates als unabhängiges Beratungsgremium beeinträchtigen könnte“.
Malmendier sagte dazu der „Zeit“: „Wenn wir Veronika in Zukunft von Beratungen über grünen Wasserstoff oder Windenergie ausschließen müssen, wäre das eine Katastrophe, das ist ja ihr Fachgebiet. Wenn sie andererseits das Problem selbst nicht sieht und sagt, nee, ihr müsst mich gar nicht ausschließen, haben wir noch ein größeres Problem.“ Malmendier wies darauf hin, dass Siemen Energy Staatsbürgschaften über 7,5 Milliarden Euro bekommen habe und sich Aufträge durch die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung verspreche.
Grimm sagte dem „Spiegel“, sie sei „erstaunt“ über die Kritik ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sie habe im Bundeswirtschaftsministerium und im Kanzleramt prüfen lassen, ob das Aufsichtsratsmandat mit ihrer Rolle im Sachverständigenrat vereinbar sei. Dort habe es keinerlei Bedenken gegeben. Laut Beobachtern hat der Streit aber eine andere Ursache. Vielmehr gehe es um eine persönliche Rivalität zwischen Schnitzer und Grimm. Grimm hatte zuletzt immer wieder die Ampelregierung kritisiert und die Schuldenbremse verteidigt. Schnitzer, Malmendier und der von den Gewerkschaften nominierte Truger hängen weniger an der Schuldenbremse. afp, mm