Wirecard-Insolvenzverwalter dem Geld auf der Spur

von Redaktion

München – Der Begriff klingt spröde. Es ist eine Organhaftungsklage, die Richter Helmut Krenek am heutigen Donnerstag am Landgericht München eröffnen wird. Wer gegen wen klagt, hat es allerdings in sich.

Kläger ist Michael Jaffé als Insolvenzverwalter des untergegangenen Skandalkonzerns Wirecard. Vor den Kadi zerrt er den gesamten vierköpfigen Vorstand inklusive Ex-Chef Markus Braun und den Ex-Aufseher Stefan Klestil. Letzterer genießt als Sohn eines österreichischen Ex-Bundespräsidenten eine gewisse Prominenz. Gestritten wird um 140 Millionen Euro. Für deren Verschwinden sollen die Beschuldigten per Pflichtverletzung verantwortlich sein. Das klingt harmlos, was aber nur juristischem Fachjargon geschuldet ist. Es geht um einen Kern der Wirecard-Affäre.

Um zu gewinnen, muss Jaffé nachweisen, dass Vorstand und Aufsichtsrat dafür gesorgt haben, dass Wirecard zwischen 2018 und 2020 Darlehen an eine vermeintliche Partnerfirma namens Ocap vergeben hat, die nie hätten vergeben werden dürfen.

Dabei hätten die fünf Beschuldigten, zu dem auch der flüchtige Wirecard-Topmanager Jan Marsalek in Abwesenheit zählt, „eklatant ihre Pflichten als Mitglieder des Vorstands beziehungsweise Aufsichtsrats der Wirecard AG verletzt“, schreibt Jaffé zum Fall in seinem jüngsten Sachstandsbericht als Insolvenzverwalter.

Als solcher hat er die Pflicht, die Insolvenzmasse zu mehren, was er mit der Klage versucht. Ocap ist auch prominenter Teil der Anklage im parallel seit 15 Monaten laufenden Strafprozess, wo ebenfalls Braun angeklagt ist. In diesem Prozess geht es um Bilanz- und Marktmanipulation, Betrug und Untreue. Ocap hat mit Letzterem zu tun. Strafverfolger und Insolvenzverwalter sind sich dabei einig. Ocap hätte die Darlehen von Wirecard nie erhalten dürfen, weil die Firma nicht kreditwürdig war. Das hatte sogar die konzerneigene Wirecard Bank 2018 ausdrücklich festgestellt. Gegen diverse interne Widerstände wurden die Darlehen dennoch federführend von Braun durchgedrückt. Seit 2020 ist Ocap insolvent. Die Firma wird die fehlenden 140 Millionen Euro nie zurückzahlen können. Teile davon könnten nun aus dem Privatvermögen der von Jaffé beklagten Manager oder einer Managerhaftpflichversicherung an ihn fließen. Voraussetzung ist, Jaffé gewinnt.

Das ist aber noch nicht die ganze Geschichte von Ocap. Denn die Ermittler sind dem Geld gefolgt. 100 Millionen Euro sind im März 2020, drei Monate vor der Wirecard-Insolvenz, kurzfristig auf ein Konto in Litauen transferiert worden und wurden dann „innerhalb kurzer Zeit zu im Einzelnen noch nicht genau bekannten Zwecken umverteilt“, heißt es in der Anklage im Strafprozess. So lässt man Geld in dunklen Kanälen verschwinden, um sich selbst zu bereichern.

Auch das ist noch nicht alles. Denn 35 Millionen Euro des an Ocap ausgereichten Darlehens sind ausweislich identifizierter Zahlungsflüsse am Ende bei der MB Beteiligungsgesellschaft gelandet. MB wie Markus Braun. Das sehen Strafverfolger und Insolvenzverwalter als bewiesen an. Braun hat es lange nicht so richtig zugegeben und eidesstattlich versichert, beim Eingang der Millionen keine konkreten Anhaltspunkte dafür gehabt zu haben, dass das Geld aus dem Ocap-Darlehen abgezweigt worden war, sondern irgendwelche anderen und natürlich legale Ursprünge hatte.

Er sei der Glaubwürdigkeit von Herrn Braun mit ernsthaften Bedenken begegnet und vor Gericht gezogen, um einen Arrestbeschluss gegen Brauns Privatvermögen durchsetzen zu können, schreibt Jaffé im Sachstandsbericht. Im Januar 2023 erging das Endurteil. Jaffé bekam Recht, wobei es die Urteilsbegründung in sich hatte. Brauns Einwendungen in der Sache seien „nicht überzeugend“, „unglaubwürdig, weil lebensfremd“, nicht plausibel“ und „geradezu abwegig“, ließen die Richter wissen. Das ist die Vorgeschichte zur jetzigen Organhaftungsklage, die nun ab Donnerstag verhandelt wird, was das Ganze weit weniger spröde macht. THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

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