Berlin – In dieser Woche will das Unternehmen Meyer Burger seine Produktion von Solarmodulen im sächsischen Freiberg nach und nach abstellen. Damit würde eine der wenigen industriellen Fertigungen von Solaranlagen in Deutschland schließen. Die Firma bittet seit einem Dreivierteljahr um Unterstützung der Politik. SPD, Grüne und FDP verhandeln darüber im Bundestag, bislang aber ohne greifbares Ergebnis.
Wie ist die aktuelle Lage in der Solarindustrie?
Einerseits herrscht ein Boom. Viele Immobilienbesitzerinnen und Besitzer installieren neuerdings kleine Solarkraftwerke auf ihren Hausdächern. Die Zahl der großen Anlagen neben Bahnstrecken und Autobahnen wächst ebenfalls rapide. Andererseits wird der größte Teil der Komponenten nicht in Deutschland und Europa hergestellt. Vor allem aus China kommen Solarzellen und Module, die günstiger sind als solche aus einheimischer Fertigung. Deswegen hat Meyer Burger, der größte hiesige Hersteller, das Ende der Modulproduktion in Freiberg angekündigt, wo rund 500 Beschäftigte arbeiten. Am 14. März soll Schluss sein – wenn nicht noch ein Signal der Regierungskoalition kommt.
Warum steht die Branche unter Druck?
Augenblicklich kommen 91 Prozent der Solarzellen und 85 Prozent der Module, der Konstruktionen für Dächer und Freiflächen, ebenfalls aus China. Das liegt daran, dass die chinesische Regierung die dortige Produktion in den vergangenen Jahren erheblich ausbauen ließ. Große Fabriken arbeiten günstiger als die vergleichsweise kleinteilige Fertigung in Europa. Außerdem verbilligt China seine Solarmodule mit Subventionen und Rabatten.
Was spricht gegen chinesische Module?
Der niedrige Preis ist ein wichtiges Argument. Die Herstellung von Solarstrom wird damit billiger. Privathaushalte und Unternehmen bezahlen weniger. Doch Carsten Körnig, der Chef des Bundesverbandes der Solarwirtschaft, sagt: „Deutschland und Europa benötigen eine eigene Produktionskette für Solarzellen und Solarmodule, um bei dieser wichtigen Technologie weniger abhängig zu sein.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht es ähnlich: „Sicherheit hat ihren Preis.“ Den grünen Politiker treibt diese Sorge um: China ist eine konkurrierende Weltmacht, die, wie die USA und Europa auch, Ökonomie als Waffe einsetzen kann. Was würde passieren, wenn die chinesische Regierung den Export von Solarmodulen nach Europa einschränkte oder unterbände? Eine Antwort lautet: Es ist nötig, strategische Produkte wie Solar- und Windkraftwerke, Batterien für Elektroautos, Chips für die Datenkommunikation oder Elektrolyseure für grünen Wasserstoff selbst herstellen zu können – auch wenn das teurer ist.
Gibt es einen Plan?
Das fast fertige Netto-Null-Industriegesetz der EU (Net Zero Industry Act, NZIA) sieht vor, dass bis 2030 etwa 40 Prozent bestimmter strategischer Produkte in Europa gefertigt werden, ohne die die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft nicht funktioniert. Das ist einer von mehreren Ansätzen, mit dem EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsländer daran arbeiten, der chinesischen, aber auch der US-amerikanischen Subventionspolitik etwas entgegenzusetzen. Im Zuge dieser Politik haben Konzerne wie Intel (Computerchips), Northvolt (Autobatterien) und Thyssenkrupp (Stahl) bereits Zusagen für Milliarden Euro staatlicher Subventionen erhalten, um ihre Fertigung hierzulande zu sichern oder auszubauen – Solarhersteller aber noch nicht.
Welche Lösung wird diskutiert?
Meyer Burger und der Solarverband haben einen zusätzlichen Bonus vorgeschlagen, den Immobilienbesitzer für ins öffentliche Netz eingespeisten Solarstrom erhalten würden, wenn dieser heimisch produzierten Zellen und Modulen entstammt. Das gliche den höheren Preis heimischer Produkte aus, die Nachfrage nach ihnen stiege, Meyer Burger könnte in Sachsen weiter fertigen. Andere Firmen wie etwa Enpal, die bisher nicht selbst produzieren, sondern chinesische Module verkaufen, raten davon ab. Argument: Die Hauseigentümer würden auf die günstigeren deutschen Module warten, der Markt geriete durcheinander, der augenblickliche Solarboom könne leiden. Eine zweite Variante, die unter anderem Ökonomin Claudia Kemfert befürwortet: Betreiber von geplanten Solarparks könnten einen Bonus erhalten, damit sie eher heimische Module verwenden. Damit solche Subventionen ausreichen, müsste aber erst das EU-Industrie-Gesetz in Kraft sein.