Schwierige Alternativen zu China

von Redaktion

VON SVEN HAUBERG

Ganze 64 Seiten umfasst die China-Strategie, die sich Deutschland im vergangenen Sommer gegeben hat. In dem Dokument geht es um Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, um Pekings Nähe zum Kreml, um die Lage in Hongkong. Der vielleicht wichtigste Punkt aber findet sich auf Seite 37. „Die Bundesregierung“, heißt es dort, „arbeitet auf ein De-Risking der Wirtschaftsbeziehungen zu China hin.“

Gemeint ist: Deutschland soll sich unabhängiger machen von der Volksrepublik, seinem wichtigsten Handelspartner. Wie fatal eine Abhängigkeit von nur einem Land sein kann, hatte sich schließlich beim russischen Gas auf dramatische Weise gezeigt.

Wie schwierig eine Abkopplung von China jedoch werden dürfte, zeigt ein Blick auf die Zahlen. 2022 kletterte der deutsche China-Handel auf ein Allzeit-Hoch, importiert und exportiert wurden Waren im Gesamtwert von 299 Milliarden Euro. Ein Jahr später waren es zwar nur noch 253 Milliarden. Um von einer Trendumkehr zu sprechen, ist es aber noch zu früh. Ohnehin will Deutschland, zumindest derzeit, kein Aus der wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik, sondern lediglich „die Verringerung von Abhängigkeiten in kritischen Bereichen“. So steht es in der China-Strategie.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei ausgerechnet den Nachbarländern der Volksrepublik zu. Deutsche Firmen, so der Plan, sollen weniger in China investieren und mehr in den Staaten Südostasiens. Ende 2022 warb Bundeskanzler Olaf Scholz deshalb in Vietnam und Singapur um mehr wirtschaftlichen Austausch mit dem kommunistischen Land und dem teils autoritär regierten Stadtstaat; diesen Januar lobte dann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Staatsbesuch Vietnam und dessen Nachbarland Thailand als „Partner“, die mit Deutschland „gemeinsame Interessen“ teilten. „Der Blick hierher lohnt sich“, so Steinmeier. Auch wenn Scholz ab Montag den Ministerpräsidenten Malaysias, den Präsidenten der Philippinen sowie den Ministerpräsidenten Thailands in Berlin empfängt, wird die Volksrepublik der Elefant im Raum sein. „Die Treffen machen deutlich, dass es dem Bundeskanzler ein wichtiges Anliegen ist, die Beziehungen Deutschlands zu diversifizieren“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit vergangene Woche. Das geschehe „auch mit Blick auf China“. Allerdings ist da noch viel Luft nach oben. Mit den drei südostasiatischen Staaten, deren Vertreter Scholz nun an drei Tagen nacheinander in Berlin mit militärischen Ehren empfängt, handelte Deutschland 2023 Waren im Wert von lediglich 38 Milliarden Euro. Wichtigster Partner in der Region ist Malaysia. Vor allem Elektronik-erzeugnisse, elektrotechnische Produkte sowie Mess- und Regeltechnik liefert das Land nach Deutschland; umgekehrt verkauft die Bundesrepublik elektronische Erzeugnisse sowie Maschinen und Straßenfahrzeuge an das asiatische Königreich.

Vor allem der Export gestaltet sich schwierig, nicht einmal zwei Prozent der deutschen Ausfuhren gehen an die zehn Länder des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN. „Grund dafür ist unter anderem die scharfe Konkurrenzsituation mit China, das in allen ASEAN-Ländern der wichtigste Warenlieferant geworden ist – zumeist mit großem Abstand“, bilanziert die deutsche Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest. Die Bundesregierung setzt deshalb auf Freihandelsabkommen der EU mit Thailand, Malaysia, den Philippinen sowie mit dem rohstoffreichen Indonesien. Die lassen aber auf sich warten, die Verhandlungen sind kompliziert. Die FDP-Politikerin Renata Alt mahnt zudem, bei all der De-Risking-Euphorie eines nicht zu vergessen: Auch die vermeintlichen China-Alternativen in Südostasien sind in puncto Menschenrechten keine Musterschüler. Alt, die dem Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe vorsitzt, nennt „Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit“ sowie „die noch immer verbreitete Diskriminierung von Frauen und Minderheiten wie der LGBTQ+ Gemeinschaft sowie religiösen und ethnischen Minderheiten“.

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