Wirecard-Prozess: Gefährliche Zeugin

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Ehefrauen und persönliche Assistentinnen können für Angeklagte gefährliche Zeuginnen sein, wissen Ermittler. Insofern konnte man einer Aussage am 108. Tag des Münchner Wirecard-Prozesses vor dem Landgericht München mit einer gewissen Spannung entgegensehen. Denn als Zeugin geladen war die persönliche Ex-Assistentin des Hauptangeklagten Markus Braun.

Immerhin war die 49-Jährige seit 2014 bis zur Wirecard-Pleite im Sommer 2020 an der Seite des mutmaßlichen Kopfes einer Betrügerbande in Nadelstreif. Erhellendes hatte sie anfangs nicht zu bieten. „Herr Braun hat alles selber gemacht“, erklärte die Zeugin. Nicht einmal Einblick in seine E-Mails habe sie gehabt. Dann aber kam die Rede auf die Zeit des Zusammenbruchs, auf Brauns Handy und seinen flüchtigen Kollegen Jan Marsalek. Staatsanwälte hatten damals mit ihren Ermittlungen begonnen und die Smartphones wichtiger Mitarbeiter konfisziert. Alle, mit Ausnahme von dem Brauns, erinnert sich seine damalige Assistentin. „Ich fand das Vorgehen seltsam, er hat seines eine Woche länger behalten dürfen“, erzählt sie. Bekannt war dieses für Ermittler unschmeichelhafte Detail bislang nicht öffentlich.

Da sei eigentlich nicht wirklich etwas drauf, habe Braun ihr gesagt. Er wolle dennoch zwei, drei Sachen löschen, die man falsch interpretieren könnte.

„Dann ist Jan gekommen“, erinnert sich die 49-Jährige. Damit war der flüchtige und mutmaßlich in Russland untergetauchte Ex-Vorstand Marsalek gemeint. Zusammen seien beide in Brauns Büro verschwunden, hätten die Tür geschlossen und mit einer dritten Person telefoniert. Als die Tür wieder aufging, habe Braun sein Handy an einen Anwalt übergeben, der es an Ermittler weitergereicht hat.

Was genau Marsalek und Braun mit dessen Handy gemacht haben, weiß die Ex-Assistentin nicht. Aber nach allem, was man über Marsalek und dessen Geheimdienstkontakte inzwischen weiß, sollte er in der Lage sein, Daten auf einem Handy nicht wiederherstellbar zu löschen.

Geheimniskrämerei ist auch sonst nach den Schilderungen der Zeugin in der Wirecard-Vorstandsetage großgeschrieben worden. „Wir waren immer ausgeschlossen.“ Bei geschäftlichen Treffen sei sie nie dabei gewesen. Braun habe sein Büro papierlos gehalten, mit der Außenwelt per Handy und dem abhörsicheren Messengerdienst Telegram kommuniziert und sie immer wieder angewiesen, bisweilen doch anfallende Papiere zu vernichten.

Daran, dass sie eine Vermögensaufstellung Brauns von einem Dokument auf ein anderes übertragen habe, konnte sich die 49-Jährige erinnern. In einer ersten Fassung enthielt die Liste neben Aktienvermögen in zweistelliger Millionenhöhe auch 20 Millionen Euro an Bargeld. In einer späteren Fassung waren es nur noch zwei Millionen Euro Bares. Zur Differenz könne sie nichts sagen, betonte die Zeugin. Die Höhe von Brauns Vermögen ist für eventuelle Regressansprüche wichtig. „Herr Braun war keiner, der viel gesprochen hat“, bescheinigte die Assistentin ihrem Ex-Boss. Wenn gesprochen wurde, sei das hinter verschlossenen Türen geschehen.

Als Zweifel an der Werthaltigkeit angeblich profitabler Geschäfte in Asien öffentlich wurden, sei intern getratscht worden. „Viele haben gesagt, da muss Jan wieder Umsätze besorgen“, gab die Zeugin zu Protokoll. Dann hätten sich mehrere Personen im Büro Brauns die Klinke in die Hand gegeben, bis alle mit den Zahlen zufrieden waren. Mittlerweile gilt als sehr wahrscheinlich, dass es einen Großteil des Asien-Geschäfts nie gegeben hat und er frei erfunden war. Wenn mal wieder ein Zeitungsartikel erschienen war, der Wirecard-Geschäfte bezweifelt hatte, habe Braun immer gesagt, dass die Anschuldigungen nicht stimmen, erzählt die Ex-Assistentin. „Aber das hat keiner wirklich geglaubt.“ Dann sagt sie einen Satz, der hellhörig macht. „Er konnte gut lügen.“

Woher sie das wisse, wird sie gefragt. Er habe über zwei bis drei Monate eine Affäre mit ihr gehabt, die nicht die einzige gewesen sei und das immer sehr überzeugend abgestritten, spricht die Zeugin mit leiser werdender Stimme ins Mikrofon. Ob er über Geschäftliches auch gelogen habe, könne sie nicht sagen.

Die Affäre habe sie dann selbst beendet, ohne Streit. Braun sitzt bei alldem regungslos auf der Anklagebank und sagt kein Wort.

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