Neues Gesetz für Bürokratie-Abbau

von Redaktion

VON BETTINA GRACHTRUP, THERESA MÜNCH UND JAQUELINE MELCHER

Berlin – Weniger Vorschriften und mehr digital: Die Bundesregierung will den bürokratischen Aufwand für Unternehmen, Verwaltung und Bürger abbauen. Dazu brachte das Kabinett am Mittwoch in Berlin ein Bürokratieentlastungsgesetz auf den Weg. Beispielsweise sollen deutsche Staatsbürger in Hotels im Inland keine Meldezettel mehr ausfüllen müssen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: „Bürokratieentlastung ist eine der großen Aufgaben der Bundesregierung, eines unserer großen Vorhaben. Und das haben wir heute einen großen weiteren Schritt vorangebracht.“ Die Wirtschaft mahnte aber deutlich mehr und tiefgreifendere Maßnahmen für den Bürokratieabbau an.

Die einzelnen Maßnahmen aus dem Gesetz beruhen auf Vorschlägen der Bundesministerien zu ihren jeweiligen Bereichen, aber auch auf einer Online-Befragung von Verbänden, die 442 Vorschläge zum Bürokratieabbau eingereicht hatten. Grundzüge hatte das Kabinett schon im vergangenen Sommer bei seiner Klausur auf Schloss Meseberg abgesegnet. Damals sprach Justizminister Marco Buschmann von einem „bürokratischen Burnout“ vieler Betriebe.

Das geplante Gesetz sei einer von drei Bausteinen eines Pakets, das eine Entlastungswirkung von mehr als drei Milliarden Euro im Jahr bringen solle. „Das ist schon mal das größte Bürokratieentlastungspaket, das es je in der Geschichte dieses Landes gab“, sagte Buschmann. Finanzminister Christian Lindner (FDP) beschrieb die Bürokratie als einen Grund, warum der Standort Deutschland aktuell international nicht wettbewerbsfähig sei.

Das geplante Gesetz muss noch im Bundestag und im Bundesrat beraten und beschlossen werden. Es sieht folgende Punkte vor:

Kürzere Aufbewahrungsfristen: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen etwa für Rechnungskopien, Kontoauszüge, Lohn- und Gehaltslisten sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Die Unternehmen können sie also früher entsorgen als bisher.

Vollmachtsdatenbank für Steuerberater: Unternehmen sollen ihren Steuerberatern nicht mehr zahlreiche Vollmachten schriftlich für die jeweiligen Träger der sozialen Sicherung ausstellen müssen. Es soll eine Generalvollmacht reichen, die elektronisch eingetragen und von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden kann.

Meldepflichten für Hotelübernachtungen: Für deutsche Staatsangehörige werden sie abgeschafft – Hotels müssen sie nicht mehr erfassen und weitergeben.

Abschied von Schriftformerfordernissen: Wenn heute die Schriftform verlangt wird, braucht es eine eigenhändige Unterschrift. Künftig soll die Textform in vielen Regelungsbereichen des Bürgerlichen Gesetzbuches ausreichen – etwa per E-Mail, SMS oder Messenger-Nachricht. So sollen zum Beispiel Vereinsmitglieder ihre Zustimmung zu einem Beschluss, der ohne Mitgliederversammlung gefasst wurde, künftig in Textform erklären können.

Öffentliche Versteigerungen: Sie sollen auch online oder in hybrider Form, also vor Ort und gleichzeitig online, möglich sein.

Fluggastabfertigung: Händische Kontrollen von Flugscheinen oder Reisedokumenten sollen weiter durch digitale Formen ersetzt werden – insbesondere beim Check-in, bei der Gepäckaufgabe und bei der Zugangskontrolle zum Sicherheitsbereich.

Für die Vorsitzende des Start-up-Verbands, Verena Pausder, ist das Gesetz ein guter, aber nur erster Schritt. „Ich glaube, wir müssen sozusagen mal kollektiv ausmisten“, sagte sie im Deutschlandfunk. „Wir tun uns einfach wahnsinnig schwer, in Deutschland Dinge wieder abzuschaffen, die wir einmal eingeführt haben, auch wenn sie keinen Sinn mehr machen.“ Sie nannte auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz: „Wenn die Visa-Verfahren so lange dauern, dann bringt uns das eben nicht so viel, weil die Menschen dann trotzdem ewig warten, bis sie in einem Job ankommen.“

Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander kritisierte, das geplante Gesetz bleibe deutlich hinter den Erwartungen und dem Notwendigen zurück. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Tanja Gönner, sieht das ähnlich: „Die Bundesregierung verpasst den bürokratischen Befreiungsschlag.“ Die geplanten Maßnahmen seien viel zu kleinteilig. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks erklärte, die Maßnahmen reichten bei Weitem nicht aus, um Handwerksbetriebe insgesamt und spürbar zu entlasten.

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