Stellenabbau bei Bosch: Zulieferer in der Krise

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

Gerlingen – Die Botschaft, die Bosch-Betriebsratschef Frank Sell am Mittwoch verkündete, war klar: „Stopp, so geht es nicht weiter“, sagte er bei einer Kundgebung in Gerlingen vor der Zentrale des Konzerns. „So lassen wir mit uns nicht umgehen. Stoppt diesen wahnsinnigen Personalabbau!“ Allein in Gerlingen hörten ihm 10 000 Mitarbeiter zu, insgesamt sollen deutschlandweit rund 25 000 Bosch-Mitarbeiter die Arbeit niedergelegt haben, auch an den bayerischen Standorten Ansbach, Nürnberg und Immenstadt. Der Grund: Bosch will weltweit über 7000 Stellen streichen, mehr als 3000 davon in Deutschland.

Mit den Kundgebungen bei Bosch hat die Krise der Autozulieferer die größte Firma der Branche erreicht. Bosch ist aber bei Weitem nicht die einzige Firma, die Jobs abbaut. Webasto aus Stockdorf bei München will mindestens 1600 Mitarbeiter auf die Straße setzen, das wäre jeder zehnte Arbeitnehmer des Standheizungs- und Schiebedachherstellers. Bei ZF, die etwa Getriebe und Fahrwerke bauen, stehen 18 000 Jobs auf dem Spiel. Der Reifenhersteller Michelin will Werke in Deutschland schließen, Continental baut ebenfalls Stellen ab, Forvia aus Frankreich will 10 000 Mitarbeiter kündigen und der auf Innenraum-Ausstattungen spezialisierte Zulieferer Eissmann Automotive mit 5000 Angestellten meldete Insolvenz an – und das sind nur die Meldungen der letzten Wochen.

„Die Zulieferer spüren die Transformation der Autoindustrie besonders hart“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management. Zuallererst gehe es dabei um den langsamen Abschied vom Verbrenner, der kleinere Spezialisten viel mehr trifft als die großen Hersteller, an deren Tropf die meist mittelständisch geprägten Zulieferer hängen. Bratzels Institut kalkuliert damit, dass durch den Umstieg mittelfristig jeder fünfte Job in der Branche wegfallen könnte, der Autoverband VDA geht von noch mehr aus.

Doch das Problem ist zu komplex, um es allein auf den Umstieg zur E-Mobilität zu reduzieren – wobei es für viele charmant ist, den schwarzen Peter allein der Politik zuzuschieben. „Deutsche Zulieferer haben mittlerweile auch viel mehr Konkurrenz als früher“, berichtet Bratzel. Das seien nicht nur Firmen aus China, die nun ebenfalls um Aufträge werben, sondern auch Software- und Technologieriesen wie Nvidia, Google oder Mobil-eye, die im Zuge der Digitalisierung in die Fahrzeuge drängen. Zu diesen Umbrüchen kommen weitere temporäre Faktoren. Die schwächelnde Wirtschaft etwa, die weltweit die Lust auf Autokäufe dämpft. Der stockende Hochlauf der E-Mobilität, der nun selbst jene in Probleme bringt, die früh umgesteuert haben. Oder die hohen Zinsen, welche die nötigen Milliardeninvestitionen für die Transformation der Branche zusätzlich erschweren. „Dazu kommen in Deutschland Standortfaktoren wie hohe Löhne, teure Energie oder Bürokratie“, erklärt Bratzel.

All das führt dazu, dass viele Zulieferer ihre Kosten straffen – selbst jene, die wie Bosch weiter Milliardengewinne schreiben. So hat der Weltkonzern aus dem Stuttgarter Raum allein 2023 vier Milliarden Euro Gewinn gemacht und seinen Umsatz um vier Prozent auf 91,6 Milliarden Euro gesteigert. Trotzdem sollen tausende Mitarbeiter gehen: 1500 in der Verbrennersparte in Deutschland, aber auch 500 weltweit bei Steuergeräten und 1200 bei Elektronik, Software und autonomem Fahren.

Besonders empört ist man bei Bosch über die Art, mit der der Konzern dabei vorgeht. Seit Monaten schwelt der Streit zwischen Betriebsrat und Management, die Geschäftsführung lehne zentrale Gespräche aber ab. Sie wolle Kündigungen lieber Standort für Standort verhandeln. „Nach dem Motto: Teile und herrsche“, ätzte Betriebsratschef Sell in Gerlingen. Ähnlich sehen es viele Kollegen. „So hart war es noch nie. So unpersönlich war es noch nie und so distanziert war es noch nie“, sagte Tim Reule, Ingenieur und Betriebsrat in Schwieberdingen, dem SWR. Den „sozialen Bosch“ von früher gebe es nicht mehr.

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