Schnellste Tankstelle der Stadt

von Redaktion

München – Die sechs Batterie-Packs nehmen fast den gesamten Raum zwischen den Achsen des Sattelschleppers ein. Jedes davon mit 89 Kilowattstunden größer als die Stromspeicher der meisten Elektroautos. Über 500 Kilometer weit käme das Fahrzeug selbst mit einem schweren Sattelaufleger. So weit nichts Neues – wäre da nicht der Container mit Ladeelektronik und Ladekabel, die im normalerweise streng abgeschotteten Entwicklungszentrum von MAN am nordwestlichen Stadtrand von München aufgebaut wurden. Damit will man die Serientauglichkeit des Fernlastverkehrs demonstrieren.

Der Container ist die leistungsstärkste Stromtankstelle Münchens. Schon eine gute halbe Stunde nachdem Ministerpräsident Markus Söder den gewaltigen Stecker für die zu drei Vierteln entleerte Batterie eingestöpselt hatte, zeigt die Anzeige wieder 90 Prozent Ladung. Darauf kommt es an, wenn man Spediteure vom Nutzen des elektrischen Lasters im Fernverkehr überzeugen will: Dass man in 45 Minuten Lenkzeitpause so viel Energie an Bord bringt, um locker die Strecke bis zur nächsten Pflichtpause zu schaffen.

Kein anderer Nutzfahrzeughersteller setzt so sehr auf batterieelektrische Antriebe wie MAN. Bei Stadtbussen ist man in Europa die Nummer 1, wie MAN-Chef Alexander Vlaskamp betont. Und auch Fernverkehrs-Laster stehen bereit. MAN-Partner ABB e-Mobility bringt die benötigte Energiemenge auch ins Auto, sag Michael Halbherr, der Chef des Ladespezialisten. „Wir haben binnen weniger Jahre nicht nur die Stromstärke sondern auch die Ladeleistung verdoppelt.“ Das soll heißen: Dieser Teil der Industrie hat seine Hausaufgaben gemacht.

Jetzt kommt es darauf an, den Strom auch an auch zu den Autobahn-Parkplätze und Raststätten zu bringen. Und da sind die Herausforderungen gewaltig und nicht mit dem zu vergleichen, was Elektro-Pkw so brauchen. 1000 Ampere Ladestrom und 700 Kilowatt reichen für einen Elektro-Fernlaster. Was aber, wenn gleichzeitig zig Fahrzeuge geladen werden sollen?

Einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur fordert Vlaskamp. 30 000 Ladepunkte mit dem Lkw-tauglichen Megawatt-Ladestandard MCS hält er in Europa für nötig, „4000 davon in Deutschland“. Immerhin 1700 davon will MAN gemeinsam mit den Konkurrenten Daimler und Volvo errichten. Beim Rest ist auch die Politik gefordert. Ministerpräsident Söder hat seine Unterstützung zugesichert. Bayern sei ein Automobilland, sagte er. Und mit Blick auf den bayerischen Hersteller MAN: „Wir brauchen Lkw, um die Klimaziele zu erfüllen.“ Größtes Hemmnis sind wieder einmal die Mühlen der Bürokratie, die die Ausbauziele gefährden. „Die Genehmigungsverfahren sind nicht schnell genug“, kritisiert Vlaskamp.

Wirtschaftlich sieht MAN die Elektrofahrzeuge bereits auf Augenhöhe mit den Verbrennern. Dem erheblich höheren Anschaffungspreis stünden deutlich niedrigere Energiekosten gegenüber, sodass der Mehrpreis innerhalb von vier bis fünf Jahren kompensiert sei. MARTIN PREM

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