Nach beispielloser Pannenserie: Boeing-Chef Calhoun fliegt

von Redaktion

Arlington – Abstürze, abfallende Teile, Sicherheitsmängel, Kritik von der Flugaufsicht und ein enormer Wertverlust an der Börse: Der Flugzeugbauer Boeing steckt mitten in der Krise. Nun zieht Boeing-Chef Dave Calhoun die Konsequenzen. Er werde Ende des Jahres seinen Posten räumen, kündigte er am Montag an. Der Rücktritt „war ganz alleine meine Entscheidung“, betonte er. Neben Calhoun treten auch Verwaltungsratschef Larry Kellner und der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, ab.

Der Grund ist eine in der Luftfahrtbranche beispiellose Pannenserie, die vor rund fünf Jahren begann. 2018 und 2019 stürzten zwei Boeing Kurzstreckenflieger 737-Max ab, 346 Menschen starben. Damals war noch Dennis Muilenburg Chef von Boeing. Calhoun, der vom Finanzinvestor Blackstone kam, übernahm immer mehr Verantwortung bei Boeing und leitete den Aufsichtsrat. Als Muilenburg wegen der Unfälle gehen musste, übernahm Calhoun 2020 das Ruder, um die Probleme zu lösen und Boeing wieder zur Nummer 1 in der Luftfahrt zu machen.

Doch auch unter Calhoun ging die Misere weiter. Vorläufiger Höhepunkt: Im Januar riss aus der Außenverkleidung einer 737-9 ein türgroßes Teil, glücklicherweise konnte das Flugzeug landen. Schuld sollen laut Behörden fehlende Bolzen und haarsträubende Schludrigkeit im Unternehmen gewesen sein. Laut „New York Times“ soll Boeing daraufhin bei 33 von 89 Tests der skeptisch gewordenen US-Luftfahrtbehörde FAA durchgefallen sein, der wichtige Zulieferer Spirit bei sieben von 13. Man habe Verstöße bei der Herstellung, dem Umgang mit Teilen und der Qualitätssicherung festgestellt, berichtete die FAA. Im März verlor dann auch noch eine 777 beim Start ein Rad und später noch eine 737-800 ein Teil am Rumpf.

Das alles schadet nicht nur dem Ruf von Boeing massiv, auch das Geschäft leidet längst. Der einstige Branchenprimus wurde bei den Auslieferungen vom europäischen Konkurrenten Airbus überholt und weit abgehängt. Die letzten fünf Jahre schrieb Boeing immer Verluste. 2020, ein Jahr nach den Abstürzen, waren es fast zwölf Milliarden Dollar, 2023 immer noch 2,2 Milliarden. Nicht einmal eine Geschäftsprognose für 2024 traut sich das Management am Firmensitz in Arlington noch zu. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Boeing die Produktion der 737-Max wegen behördlicher Auflagen weiter nicht voll hochfahren darf, was Kunden wie Ryanair oder Southwest in Probleme bringt. Kritiker sehen Calhoun als einen der Hauptverantwortlichen für die aktuelle Schieflage. Mit dem Finanzhai Blackstone und ihm habe endgültig die Praxis im Konzern Einzug gehalten, den Profit auf Kosten der Qualität zu maximieren, was sich rächt. An der Börse freute man sich deshalb über Calhouns Rücktritt. Dort hatten Anleger mit Boeing-Aktien in fünf Jahren rund die Hälfte ihres Geldes verloren.  höß

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