Der Industrie-Ausrüster Süss Microtec fliegt öffentlich etwas unter dem Radar, ist aber wahrscheinlich einer der wichtigsten Hightech-Firmen der Welt: Die Garchinger liefern die Maschinen für die Produktion der großen Chip-Konzerne. Dabei hat Ihnen der aktuelle KI-Boom das beste Auftragsquartal der 75-jährigen Firmengeschichte beschert, erklärt Burkhardt Frick, ehemaliger Manager beim niederländischen Branchenprimus ASML und seit September 2023 Geschäftsführer bei Süss Microtec.
Herr Frick, zuletzt waren Sie vor 30 Jahren für Ihr Studium der Elektrotechnik in München. Wie hat sich die Chipwelt seitdem verändert?
Die grundlegenden Prozesse haben sich nicht grundsätzlich verändert, die Chips sind aber immer komplexer geworden. Inzwischen müssen wir an die Grenzen der Physik gehen, um immer feinere Strukturen zu schaffen.
Die braucht es für immer mehr Rechenleistung, unter anderem für KI-Anwendungen. Ist die aktuelle Euphorie auch bei Ihnen angekommen?
Die Welle ist eigentlich im Sommer 2023 losgegangen und hält seitdem an. Im vergangenen Jahr haben KI-Anwendungen auf einen Schlag rund ein Drittel unserer Auftragseingänge ausgemacht, aktuell haben wir einen Rekordbestand. Auch unser Umsatz ist 2023 um 17 Prozent gewachsen. Wir bieten im Bereich KI vor allem temporäre Bonding-Systeme an. Wir helfen dabei – stark vereinfacht – besonders dünne Wafer und somit Chips herzustellen und diese anschließend miteinander zu verbinden, um die Leistung zu erhöhen.
Klingt eigentlich simpel.
Tatsächlich ist das Hochtechnologie, weil besonders die richtige Verbindung der Speicherchips mit den eigentlichen Rechenchips über die Leistungsfähigkeit der KI entscheidet. Die meisten unserer Geräte in diesem Bereich gehen an die Hersteller von High Bandwith Memory Chips in Taiwan und Korea. Das ist ein neuer Speichertyp, der extrem schnell große Datenmengen effizient verarbeiten kann und für KI-Anwendungen gebraucht wird.
Was bedeutet das für Ihre Produktion?
Die Nachfrage ist so groß, dass wir die Produktion unserer temporären Bonder verdoppeln mussten. Das haben wir an unserem Standort in Taiwan gemacht, da ging das sehr schnell aufgrund der schon bestehenden Kompetenzen. In diesem Zuge haben wir einen Produkttyp von unserem Standort in Sternenfels nach Taiwan verlagert. Die frei gewordenen Kapazitäten in Sternenfels nutzen wir, um mehr von anderen Anlagen zu bauen.
Hält die Nachfrage an?
Der Boom hält an, aber vielleicht nicht mehr ganz auf dem sehr hohen Niveau von 2023. Wir müssen sehen, was passiert, wenn die erste und die zweite Welle in Produktion gegangen sind. Am Ende werden unsere Produkte genutzt, um etwa generative KI wie ChatGPT zu ermöglichen und dementsprechend hängt die Nachfrage davon ab, wie stark die Anwendungen künftig von uns allen genutzt werden und wie viel mehr Chips dafür gebraucht werden. Wir sind aber nicht nur in Sachen KI unterwegs.
Was sind aktuell Ihre wichtigsten Geschäftsfelder?
Unter anderem sind das Leistungshalbleiter, etwa für die Elektromobilität. Die funktioniert auch in anderen Zyklen, wir sind also nicht von einem Trend abhängig. Zu unserem Kerngeschäft gehören auch Anlagen, mit denen die Chips belichtet werden. Unsere Anlagen schaffen die Strukturen, in die die Chiphersteller ihre Schaltkreise fräsen, tragen den Fotolack auf und belichten ihn. Bei diesen Lithographie-Anlagen haben wir global bis zu 50 Prozent Marktanteil. Bei den Maschinen, die die Fotomasken reinigen, haben wir einen Marktanteil von gut 90 Prozent im Highend-Bereich. Diese Maschinen müssen Masken im Nanometer-Bereich bearbeiten – und wir sind die einzigen, die in der Lage sind, solche Komplettlösungen herzustellen.
Die KI-Speicherchips sind aber ein neues Geschäft. Können Sie Ihre Stellung dort halten?
Wir sind jetzt bei mehreren Herstellern als Zulieferer qualifiziert, das sichert uns einen Vorsprung. Bei so einer Qualifikation arbeitet man über mehrere Jahre sehr eng mit seinen Kunden zusammen. Der Grund ist, dass die Prozesse sehr komplex sind, man kann nicht einfach eine Maschine hinstellen, die dann produziert. Deshalb ist es wichtig für uns, früh bei neuen Entwicklungen dabei zu sein.
Wie wirkt sich das Wachstum auf die Firma aus?
Wir wachsen stark und müssen die Kapazität an allen Standorten erhöhen, um die Nachfrage zu bedienen. Das tun wir an unseren bestehenden Standorten – wir haben allein in Garching 58 offene Stellen – aber wir schauen uns auch nach neuen Standorten um. Das tun wir vornehmlich in Europa, aber auch in Asien, wo 70 Prozent unserer Kunden sitzen. Wir kämpfen aber auch wie alle anderen mit dem Fachkräftemangel. München ist sehr attraktiv, aber auch sehr teuer.
Sie machen viel Geschäft in China und Taiwan. Wie gefährlich sind die militärischen Spannungen?
Ich persönlich mache mir keine allzu großen Sorgen. Ich habe acht Jahre in Hong Kong gelebt und war wöchentlich in Taiwan. Die Menschen dort leben seit Jahrzehnten mit dieser Situation, das Thema ist nur in Europa sehr spät auf die Bildfläche gekommen. Ein Großteil der weltweiten Chipproduktion läuft über Taiwan – aber die Fabriken hören auf zu funktionieren, wenn die westlichen Ingenieure abgezogen werden.
Interview: Matthias Schneider