Erster Verlust in BayWa-Firmengeschichte

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

München – Seine erste Jahresbilanz als neuer BayWa-Chef hatte sich Marcus Pöllinger sicher anders vorgestellt: Wegen eines internen Machtkampfs gab es während der Bilanzpressekonferenz einen Elefanten im Raum, doch dazu später mehr. Und statt eines schönen Gewinnes hatte Pöllinger obendrein die undankbare Aufgabe, den ersten Jahresverlust bei der BayWa zu vermelden. Nach dem Boomjahr 2022, in dem hohe Rohstoff- und Energiepreise dem Agrarhändler und Mischkonzern gute Geschäfte beschert hatten, lief es 2023 bescheiden: 93 Millionen Euro Verlust statt 240 Millionen Euro Gewinn wie im Vorjahr und ein Umsatzrückgang von 11,5 Prozent auf 23,9 Milliarden Euro.

Pollinger und sein Finanzchef Andreas Helber machten dafür unter anderem Einmaleffekte verantwortlich. Das miese Jahr am Bau belastete die Bausparte. Der Preisverfall bei Solarmodulen vereitelte den geplanten Verkauf des Solargeschäfts. Und ein Zyklon in Neuseeland hinterließ in den Apfelplantagen des Konzerns eine Schneise der Verwüstung. Zudem drückten durch den rasanten Zinsanstieg die über fünf Milliarden Euro an Schulden plötzlich spürbar. So war das operative Geschäft mit einem Plus von 304 Millionen ganz in Ordnung. Erst der Abzug von Steuern und rund 300 Millionen Euro an Zinskosten riss die Bilanz ins Minus.

Ein kleines Firmenpolitikum, immerhin hatte ja Pöllingers Vorgänger Klaus Josef Lutz die Schulden bei seiner (erfolgreichen) Mission angehäuft, die BayWa zum Weltkonzern zu machen. Das ließ Pöllinger kurz vor der Vorstellung der Bilanz auch in einem Interview durchblicken. Doch jeder wird an seinen eigenen Zahlen gemessen. Deshalb soll der Gürtel nun enger geschnallt werden. Pöllinger kündigte ein Jahr der Konsolidierung und damit eine teilweise Rückabwicklung des Expansionskurses von Lutz an. Dafür schaue man sich jede der über 500 Beteiligungen an und werde sich von Geschäftsfeldern trennen, so der Vorstand. Künftig müsse jede Einheit profitabel sein. Deshalb werde es Verkäufe geben, zudem soll die Zahl der Standorte im Agrarbereich reduziert werden.

„Optimierungsbedarf sehe ich in den Geschäftsfeldern Agrar und Bau“, sagte Pöllinger. Der Sektor Agrar hatte 2023 unter anderem unter sinkenden Düngerpreisen gelitten. Einen Verkauf des kriselnden Baugeschäfts schloss er jedoch aus. Allerdings sei es möglich, dass es in der zweiten Jahreshälfte dort zu Kurzarbeit kommen könnte, wenn der Markt weiter nicht anspringe. „Das Ziel des Vorstands ist es, die BayWa 2024 wieder in den Gewinnkorridor zu führen“, betonte Pöllinger. Dazu soll auch beitragen, dass der Konzern seinen Schuldenstand um rund 500 Millionen Euro senken und dadurch den Zinsaufwand drosseln will. Auch die Dividende wird für 2023 gestrichen, erst für 2024 stellten Pöllinger und Helber wieder eine Ausschüttung an die Aktionäre in Aussicht. Mittelfristig erwartet der Konzern eine positive Entwicklung und verwies auf den Getreide- und Spezialitätenhandel und die Erneuerbaren Energien als Wachstumsfelder. Die einst für 2025 ausgegebenen Ertragsziele verschob die BayWa aber um ein Jahr.

Um den großen Aufreger der letzten Wochen ging es dann nur am Ende der Pressekonferenz. Lutz, der nach seinem Abgang als BayWa-Chef nahtlos in den Aufsichtsrat gewechselt war, hatte seinem Nachfolger Pöllinger und einer Mitarbeiterin Compliance-Verstöße vorgeworfen. Dabei handelte es sich offenbar um die Anfertigung und Weitergabe von Mitarbeiterbewertungen, was das Unternehmen aber nie offiziell bestätigte. Das hätte Pöllinger beinahe seinen Job gekostet. Im Januar warf aber Lutz, dem die „Agrarzeitung“ einen Führungsstil nach „Gutsherrenart“ unterstellt, hin.

Just vor der Bilanzvorlage vermeldete die BayWa, dass eine Kanzlei den Vorstand in einem Gutachten von allen Vorwürfen freispricht, woraufhin der Verwaltungsrat Pöllinger am Mittwoch erneut das Vertrauen aussprach. Auf den Inhalt des Gutachtens wollte Pöllinger nicht eingehen. „Das Kapitel ist für uns abgeschlossen und wir nehmen keine Stellung dazu“, sagte er und versuchte das Thema schnell wegzuwischen. Das Verhältnis zu seinem Vorgänger Lutz sei gut, beteuerte er etwas hölzern: „Das Haus verdankt ihm viel, jetzt wollen wir sehr klar in die Zukunft gehen.“

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