Viele deutsche Unternehmen investieren derzeit in den USA. Ein wesentlicher Punkt: der Inflation Reduction Act (IRA), das riesige Subventionsprogramm, mit dem US-Präsident Joe Biden das Klima schützen und die Wirtschaft fördern will. Im Interview erklärt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, weshalb das Programm so begehrt ist.
Herr Brossardt, auffällig häufig hört man inzwischen, dass deutsche Unternehmen in den USA investieren. Beobachten Sie das auch?
Grundsätzlich sind Investitionen im Ausland mal eine gute Sache. Es ist der Kern des bayerischen Geschäftsmodells, weltweit präsent zu sein. Aber auch wir beobachten, dass es mehr Investitionen bayerischer Unternehmen in den USA gibt. Die Tendenz ging los, als wir erstmals aus der Pandemie kamen und hat sich erheblich verstärkt, als 2023 der Inflation Reduction Act in Kraft trat. Ein Drittel der Metall- und Elektrounternehmen mit Abwanderungstendenz nennen die USA als Zielort. Für wiederum ein Drittel davon hatte der IRA einen deutlichen Einfluss. Was mir aber wichtig ist: Es geht nur um Neuinvestitionen. Ich habe es in 20 Jahren nicht erlebt, dass ein Unternehmen in Bayern zusperrt und in die USA zieht. Und das ist auch weiterhin so: Unsere Unternehmen investieren zwar in den USA, aber sie verlagern nicht komplett dorthin.
Wo haben die Unternehmen vor dem IRA investiert?
Stärker in Mittel- und Osteuropa, das ist deutlich abgeebbt. Sei es wegen der geopolitischen Situation oder der Demografie. Zusätzlich ist die Stimmung in Deutschland und Bayern so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. Da werden Investitionsentscheidungen natürlich infrage gestellt.
Auch Europa subventioniert die Wirtschaft stark. Was machen die USA besser?
Es wäre ungerecht zu sagen, dass in Europa grundsätzlich falsch subventioniert wird, da passiert viel Richtiges. Aber die USA haben den Vorteil, dass die Antragsverfahren dort extrem unkompliziert sind.
Was heißt das?
In Europa werden Zuschüsse bezahlt. Das heißt: Der Staat muss das Geld aus dem Haushalt über einen langwierigen demokratischen Meinungsbildungsprozess an die Unternehmen verteilen. Dementsprechend starr und kompliziert ist oft das Regelwerk.
Und die USA?
Die gewähren Steuerrabatte: Wenn ein Unternehmen die geforderten Auflagen erfüllt, gibt es automatisch eine Steuergutschrift, die sich jeder sofort ausrechnen kann. Das ist jedem Unternehmer deutlich lieber, als wenn er 23 Nebenvorschriften beachten muss und dann nicht genau weiß, wann er das Geld überhaupt bekommt.
Eine Intel würde also keine zehn Milliarden für ein einzelnes Werk bekommen?
Die Diskussion gäbe es gar nicht, weil jeder, der die Vorgaben erfüllt, den Steuerrabatt bekommt. Die Amerikaner machen das grundsätzlich so, aber beim IRA wird es besonders greifbar.
Was ist der Kern des IRA?
Die US-Regierung will damit das Klima schützen und die Wirtschaft fördern. Da geht es unter anderem um die Produktion von E-Auto-Batterien und die Erzeugung von grüner Energie. Der IRA senkt die Kosten für die Batterieproduktion um gut ein Drittel. Bei Windkraftanlagen an Land senkt er den Strompreis pro Megawattstunde von etwa 35 auf 15 Dollar. Zum Vergleich: In Deutschland kostet der Strom umgerechnet rund 60 Dollar.
Sehr attraktiv, aber sicher extrem teuer.
Ursprünglich veranschlagte die US-Regierung ein Fördervolumen in Höhe von 369 Milliarden Dollar. Aber: Prinzipiell ist das Fördervolumen aber nach oben ungedeckelt und hängt von der tatsächlichen Inanspruchnahme von Unternehmen und privaten Verbrauchern ab. Wir schätzen, dass möglicherweise bis zu 1,2 Billionen Dollar abgerufen werden könnten. Der größte Posten ist tatsächlich die Förderung grüner Energie.
Nur für das Klima?
Es gibt auch Vorgaben, dass ein gewisser Teil der Wertschöpfung und der Rohstoffe aus den USA bezogen werden müssen. Das sorgt da aktuell für Wachstum.
Wären die Steuergutschriften auch in Europa umsetzbar?
Nach derzeitiger Rechtslage nicht. Es gibt in Europa auch eine gewisse Tradition dagegen, auch eine deutsche. Oft weil es das Gefühl gibt, dass von Steuergutschriften nur die großen Konzerne profitieren. Ich halte es nicht für realistisch, dass wir unser Fördersystem so bald ändern können.
Was könnten wir in Europa tun?
Klare, einfache Förderricht- linien schaffen und diese schnell umsetzen. Die Förderung ist aber nur ein Faktor.
Die weiteren sind?
Die Unternehmens- und die Einkommensteuern sind zu hoch, die Energiekosten und die aufwendige, langsame Bürokratie sind große Belastungen. Allein der IRA ist nur einer von vielen Anreizen. Aber durch dieses Paket an Problemen in Europa sind die USA einfach attraktiv.
Interview: Matthias Schneider