München – Beim Wort Erasmus denken die meisten unweigerlich an Universitäten. Doch auch Auszubildende können von dem Angebot profitieren, während ihrer Lehre einige Zeit im Ausland zu verbringen. Dafür gibt es staatliche Förderung. Hier die wichtigsten Fragen – und Beispiele aus der Praxis.
Was ist ein Erasmus für Azubis?
Erasmus+ ist ein Programm der Europäischen Union zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa. Gefördert werden beispielsweise Lernaufenthalte in Unternehmen im Rahmen der Ausbildung oder als Praktikum. Ein solcher Aufenthalt ist grundsätzlich während und nach der Ausbildung zwischen zehn Tagen und bis zu einem Jahr möglich, erklärt Martina Leyendecker, Referentin der EU-Förderpolitik. Ein solches Auslandspraktikum ist bis zu einem Jahr nach Abschluss der Ausbildung möglich, wobei die Zeit auch in mehrere kürzere Aufenthalte aufgeteilt werden kann.
Wie läuft das Programm in der Praxis ab?
Das Erasmus+-Stipendium setzt sich zusammen aus einer Reisekostenpauschale und einem Tagegeld, erklärt Katrin Budick, Beraterin im Netzwerk „Berufsbildung ohne Grenzen“ bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Die Pauschale hängt von der Entfernung zum Praktikumsort ab und das Tagegeld orientiert sich an den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Zielland. Insgesamt wird die Zeit des Aufenthalts damit finanziell abgedeckt. Interessierte können sich entweder bei den Betrieben im Ausland direkt selbst bewerben oder über die Handwerkskammer einen passenden Betrieb finden. Im Vorfeld schließen die Teilnehmenden, die aufnehmende Einrichtung im Ausland und die Handwerkskammer München eine Lernvereinbarung. Für die Azubis, die ins Ausland gehen, ist eine Krankenversicherung, eine Haftpflichtversicherung und eine Unfallversicherung am Arbeitsplatz verpflichtend.
Wie läuft die Wohnungssuche ab?
Grundsätzlich sollten sich die Teilnehmenden selbst um eine Unterkunft vor Ort kümmern. Wer hier Hilfe benötigt, kann sich an die Handwerkskammer Oberbayern wenden. Die Kosten werden von der Pauschale des Programms abgedeckt.
Welche Vorteile bringt eine solche Auslands- erfahrung?
Betriebe werden durch Erasmus+ als Ausbildungsbetrieb und Arbeitsplatz attraktiver. Gleichzeitig gewinnen die Betriebe Fachkräfte mit interkulturellen Kompetenzen, Fremdsprachenkenntnissen und Erfahrungen, so die Handwerkskammer. Auch legen immer mehr Unternehmen Wert auf Auslandserfahrungen ihrer Mitarbeiter. Denn zu lernen gibt es einiges: Metzger im Ausland haben andere Wurstspezialitäten, Bäcker andere Gebäck-spezialitäten, im Friseurhandwerk gibt es Unterschiede bei den Schnitt-Techniken.
Wo erhalten Interessierte weitere Informationen?
Auf der Homepage www.hwk-muenchen.de unter den Stichpunkten Ausbildung/Auslandsaufenthalt finden sich Informationen für interessierte Betriebe, Lehrlinge und junge Fachkräfte. Die Handwerkskammer für München und Oberbayern unterstützt bei der Betriebssuche im Ausland und bei der Beantragung des Erasmus+-Stipendiums. Die Kammer hilft außerdem bei den Vorbereitungen und steht als Ansprechpartner den Lehrlingen und jungen Fachkräften auch noch während und nach dem Auslandsaufenthalt zur Seite, so Budick.
Einer der Teilnehmer des Programms ist der Schreiner Johannes Reischl. Er hat im August 2023 seine Ausbildung abgeschlossen und war im Anschluss vier Monate in Rotterdam bei einer Möbelschreinerei. Aufmerksam auf Erasmus+ wurde der Schreiner über einen Aushang in dem Berufsschulgebäude der Handwerkskammer. Von der Kammer bekam er auch eine Liste mit möglichen Betrieben für ein Auslandspraktikum. Er entschied sich für die Schreinerei in den Niederlanden.
Andere Techniken und Werkzeuge erweiterten hier den Horizont enorm, sagt Reischl. Zwar hatte er anfänglich noch Sprachschwierigkeiten, doch das sollte kein Hinderungsgrund sein, ins Ausland zu gehen. Er will im nächsten Jahr versuchen, noch mal bei einem anderen Betrieb ein Auslandspraktikum zu absolvieren.
Ein anderer Teilnehmer ist der Bäcker Christoph. Er war für zwei Monate nach Abschluss seiner Ausbildung in Frankreich. Frankreich habe eine ganz andere Backkultur, hat er festgestellt. Croissants und Baguettes haben es ihm offensichtlich angetan, Christoph überlegt, eine Bäckerei mit französischen Köstlichenkeiten in Deutschland zu eröffnen.