Deutschland ist Teil der Europäischen Union. Ein EU-Austritt Deutschlands, wie ihn Teile der AfD fordern, beängstigt die Unternehmen. Eine Studie hatte jüngst ergeben, dass ein EU-Austritt 690 Milliarden Euro verursachen würde. © Imago
München – Die Chefs der Konzerne Siemens und Mercedes haben im Vorfeld der Europawahl vor der Bedrohung von Populisten und Extremisten gewarnt und ihre Belegschaften zur Stimmabgabe aufgefordert. „Wir müssen jetzt aufstehen und einschreiten“, sagte Siemens-Chef Roland Busch der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Extremismus und Rassismus gefährdeten den Zusammenhalt der Gesellschaft. „Es werden einfache Antworten auf komplexe Fragen gegeben, Antworten, die so nie funktionieren werden.“
So sieht es nicht nur er: „2024 würde bei uns kein einziges Auto vom Band laufen ohne Menschen mit Migrationshintergrund“, sagte auch Mercedes-Chef Ola Källenius. Ein Austritt aus der EU, wie die AfD ihn in Teilen fordert, wäre eine „wirtschaftliche Katastrophe“, sagte er der Zeitung. „Wir müssen deutlich machen, wie gefährlich eine solche Politik wäre.“ Als Exportnation könne sich Deutschland „ein Abkapseln nicht leisten“. Das würde das Land schwächen und Arbeitsplätze kosten. Erst kürzlich hatte eine IW-Studie gezeigt, dass ein Austritt Deutschlands nach dem Vorbild des Brexit die Bundesrepublik rund 690 Milliarden Euro kosten würde, etwa so viel wie die Energiekrise und die Corona-Pandemie zusammen. Die AfD legte in der Wählergunst im vergangenen Jahr deutlich zu. In ostdeutschen Bundesländern wie Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt liegt sie laut Umfragen bei Werten von 30 Prozent und mehr. Siemens und Mercedes gehören zu einem Bündnis von 30 deutschen Firmen, die ihre Beschäftigten auffordern, ihre Stimme bei der Europawahl für Vielfalt und Toleranz und gegen Populismus und Extremismus abzugeben.
Busch und Källenius stehen für viele: Die Führungsetagen deutscher Unternehmen betrachten das Erstarken der AfD mehrheitlich mit Sorge – vor allem im Hinblick auf die möglichen Folgen für Europa. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor. 77 Prozent der Unternehmen sehen demnach einer repräsentativen Umfrage zufolge ein Risiko für den Bestand der Europäischen Union und den Euro, jeweils rund 70 Prozent sehen eine starke AfD als Risiko für die Fachkräftesicherung, den Bestand von Freihandelsabkommen, den Wirtschaftsstandort und Investitionsentscheidungen. Als Chance für diese Punkte sieht jeweils nur ein einstelliger Prozentsatz der Unternehmer die Rechtsaußen-Partei.
Das IW hat mehr als 900 Unternehmen in Deutschland zum Aufstieg der AfD und den Auswirkungen auf verschiedene Themenbereiche befragt. Jeweils 73 Prozent fürchten negative Folgen für die Bildung handlungsfähiger Regierungen sowie für die Fachkräftesicherung in Deutschland. Etwas geringer ist die Sorge im Hinblick auf den eigenen Betrieb. 63 Prozent sehen ein Risiko für den Zusammenhalt der eigenen Belegschaft. Größere Unternehmen und Firmen aus dem Dienstleistungssektor stehen der AfD insgesamt kritischer gegenüber, wie die Forscher des IW berichten.
Auch Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), warnte gestern vor europafeindlichen Tendenzen: „Die EU ist das Beste, was uns je passiert ist.“ Er rief dazu auf, bei der Europa-Wahl „die Mitte“ zu wählen. Zollfreier Handel, Reise-Freizügigkeit, Frieden, gemeinsame Standards und eine gemeinsame Währung hätten in Deutschland zu einem beispiellosen Wachstum von Wohlstand geführt.
MIT DPA