Besuch bei Siemens Healthineers: Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) wollten auf einer Kanada-Reise Ideen sammeln, wie man ausländische Fachkräfte gewinnen kann. © Britta Pedersen, dpa
Berlin/München – Ausländische Arbeits- und Fachkräfte können künftig über ein Punktesystem zur Jobsuche nach Deutschland kommen. Die Regelung ist die letzte Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das damit an diesem Samstag umfassend in Kraft tritt. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz schaffe die Grundlage, „um gemeinsam mit der Wirtschaft den Zuzug von Fach- und Arbeitskräften aktiv zu betreiben“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Möglichkeiten der Zuwanderungen seien nun ebenso vielfältig wie die Bedarfe der Unternehmen. Innenministerin Nancy Faeser hob besonders die neu eingeführte Chancenkarte hervor. Mit der Karte können „Menschen mit Erfahrung und Potenzial schneller und einfacher einen passenden Job finden und mit anpacken“, sagte die SPD-Politikerin. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
Wie viele Fachkräfte fehlen in Deutschland?
Sieben Millionen Fachkräfte müssten wegen des Älterwerdens der Gesellschaft bis 2035 ersetzt werden, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errechnet. Besonders gravierend ist der Mangel beispielsweise in der Pflege und der Gastronomie. IT-Fachleute fehlen in vielen Unternehmen und auch in den Behörden. Wegen des mageren Verlaufs der Konjunktur waren bei der Bundesagentur für Arbeit im März zwar nur noch 707 000 offene Stellen gemeldet, 70 000 weniger als vor einem Jahr. Doch längerfristig erwartet Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass wohl immer mehr Stellen zunächst offen bleiben. Heute hat rund ein Viertel aller Erwerbstätigen einen Migrationshintergrund – ein überdurchschnittlich hoher Anteil etwa in Reinigungsberufen und der Gastronomie.
Was ist ab 1. Juni neu?
Die mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz im vergangenen Jahr beschlossene Chancenkarte tritt in Kraft. Sie richtet sich an Menschen, die nicht aus der Europäischen Union stammen. Dieses neue Instrument im Aufenthaltsgesetz soll den Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften erleichtern. Ein Vertrag mit einem Arbeitgeber in Deutschland ist hier keine Voraussetzung.
Wie funktioniert die Chancenkarte?
Grundvoraussetzung ist eine mindestens zweijährige Berufsausbildung oder ein Hochschulabschluss im Herkunftsland sowie Sprachkenntnisse in Deutsch oder Englisch. Je nach Sprachkenntnis, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug bekommen Interessierte Punkte, die sie zum Erhalt der Chancenkarte berechtigen. Auch für Qualifikationen in Engpassberufen gibt es Punkte. Mit der Karte können Nicht-EU-Ausländer nach Deutschland kommen und haben dann ein Jahr lang Zeit, sich einen festen Job zu suchen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine einmalige Verlängerung um zwei Jahre möglich.
Was ist neu bei der Westbalkanregelung?
Diese Regelung erleichtert den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Bislang werden für Arbeitskräfte aus diesen Staaten, die eine Jobzusage haben, von der Bundesagentur für Arbeit pro Jahr 25 000 Genehmigungen vergeben. Dieses Kontingent soll auf 50 000 Zustimmungen jährlich verdoppelt werden. Davon können auch Ungelernte profitieren. Allerdings müssen alle, die über die sogenannte Westbalkanregelung einreisen wollen, vorab einen Arbeitsvertrag nachweisen.
Gibt es das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht schon länger?
Tatsächlich hat Deutschland schon seit März 2020 ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die schwarz-rote Koalition beschlossen hatte, um den Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten zu fördern. Nach Einschätzung von Experten blieb seine Wirkung einerseits wegen der Reisebeschränkungen durch die Corona-Pandemie, andererseits wegen des nach wie vor hohen bürokratischen Aufwands für die Erwerbsmigranten begrenzt.
Und was gilt seit März?
Die Aufenthaltsmöglichkeit für Ausländer aufgrund berufspraktischer Erfahrung ist ein Herzstück des Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung. Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung können ohne vorheriges Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten. Sie müssen also noch keine in Deutschland anerkannte Ausbildung vorweisen. Das soll Bürokratie reduzieren und Verfahren verkürzen.
Das Arbeitsplatzangebot in Deutschland muss ein Bruttojahresgehalt von mindestens 40 770 Euro zusichern – bei Tarifbindung des Arbeitgebers genügt eine Entlohnung entsprechend dem Tarifvertrag. Zur Deckung von zeitweilig besonders hohem Arbeitskräftebedarf wurde eine begrenzte kurzzeitige Beschäftigung ermöglicht. Die Bundesagentur für Arbeit hat hierfür für das Jahr 2024 ein Kontingent von 25 000 festgelegt.