Zinssenkung: Wer gewinnt, wer verliert

von Redaktion

Am Donnerstag dürfte die EZB die Zinsen senken, weitere Zinsschritte könnten folgen. Die Zeit hoher Zinsen wäre damit schon nach zwei Jahren mehr oder weniger beendet. Das hat auch für Verbraucher, Schuldner und die Börsen Folgen.

Sparer freuen sich nicht: Viele Banken haben den Zinsschritt nach unten schon vorweggenommen. © zimmytws/Panthermedia

Wenn die Zinsen sinken, ist das gut für alle, die Schulden machen, zum Beispiel für den Hausbau. © IMAGO/Michael Bihlmayer

Frankfurt am Main – Geht es nach den Finanzexperten, ist eigentlich schon klar, was am Donnerstag passieren wird: Um 14.15 Uhr wird die EZB demnach eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte ankündigen, um 14.45 Uhr wird EZB-Chefin Christine Lagarde vor die Mikrofone treten und diesen Schritt erklären. Die EZB würde damit nicht nur der Fed in den USA zuvorkommen, sie würde auch einen Zinszyklus beenden, in dem die Leitzinsen in Europa in nur zwei Jahren von null auf 4,5 Prozent nach oben geschossen sind. Grund war die hohe Inflation. Mit ihrer Zinspolitik will die EZB für stabile Preise in Europa sorgen, das ist ihr gesetzlicher Auftrag. Weil die Teuerung in der Eurozone zuletzt jedoch wieder bei moderaten 2,6 und in Deutschland bei 2,4 Prozent lag, gehen die meisten Beobachter nun davon aus, dass die EZB den Leitzins wegen der niedrigeren Inflation auf 4,25 Prozent reduzieren wird – und weitere Senkungen folgen könnten. Doch was bedeutet das für Verbraucher? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Schmelzen die Sparzinsen nun wieder dahin?

Für Sparer sind Zinssenkungen eine schlechte Nachricht. Denn der Leitzins beeinflusst auch die Zinsen auf dem Konto. Während diese lange Jahre bei null lagen, gab es zuletzt immerhin halbwegs ordentliche Erträge: Renditejäger können sich derzeit über Lockangebote mit bis zu 3,6 Prozent für einjähriges Festgeld freuen (siehe Tabelle). Das Gros der Banken, darunter vor allem auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken, habe allerdings nur einen Bruchteil der hohen Zinsen an die Verbraucher weitergegeben, berichtet Kevin Schwarzinger vom Finanzportal Biallo. Quasi im vorauseilenden Gehorsam zum erwartbaren EZB-Entscheid hätten Institute ihre Zinsen zuletzt sogar schon wieder leicht nach unten angepasst. Die Häuser lägen „in Lauerstellung“, so Schwarzinger. „Sobald die EZB die Leitzinsen senken wird, dürften viele Banken bei den Sparzinsen korrigieren“, glaubt er. Heißt: Sparer hatten wohl nur eine kurze Periode gehabt, in der sie sich über vier Prozent bei Festgeld freuen konnten. Ganz so mager wie in der Nullzinszeit von 2016 bis 2022 wird es aber nicht so bald werden.

Werden Kredite wieder günstiger?

Was für Kontozinsen gilt, trifft auch für Kredite zu – jedoch mit unterschiedlichem Vorzeichen. Hier werden die Konditionen für Kreditnehmer besser, wenn die Zinsen fallen. Wie bei den Kontozinsen hat sich auch hier im Vorfeld der EZB-Sitzung schon viel getan, vor allem bei lang laufenden Verträgen wie zehnjährigen Baukrediten. Laut Finanzportal Biallo mussten Schuldner im Oktober im Schnitt noch mit 4,2 Prozent Zins leben, heute sind es im Schnitt 3,7 Prozent, die besten Angebote liegen aber deutlich darunter (siehe Tabelle). Die Bedingungen für langlaufende Kredite würden vor allem von den Renditen der Bundesanleihen abhängen, erklärt Kevin Schwarzinger. Da diese aber ebenfalls vom Leitzins beeinflusst werden, ist es zumindest indirekt gut für Kreditnehmer, wenn die EZB den Leitzins senkt. Sie können also mit billigeren Krediten rechnen.

Schiebt die EZB die Börsen an?

Weil mehr Geld vorhanden ist und sich Firmen und Verbraucher besser verschulden können, sind niedrigere Zinsen auch gut für die Wirtschaft. An den Finanzmärkten hat man deshalb schon vorab mit einem Kursfeuerwerk gefeiert, dass sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft wieder bessern dürften: Von Herbst bis heute stieg der deutsche Leitindex Dax um etwa 25 Prozent auf derzeit rund 18 500 Punkte. Weil die Zinssenkung am Donnerstag schon als ausgemacht gilt, werden Börsianer eigentlich nur noch darauf achten, ob Lagarde Hinweise auf weitere Schritte nach unten gibt. Ist das der Fall, könnte es die Börsen in Europa weiter anschieben und ihnen theoretisch einen kleinen Vorteil gegenüber den US-Märkten verschaffen, wo die Zinsen später sinken werden, heißt es beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Praktisch seien US-Aktien aber schon wegen mehr KI-Firmen interessanter, so Blackrock. Und: Ob es ein klares Bekenntnis zu mehreren Zinssenkungen in Europa gibt, ist fraglich.

Wie stark werden die Zinsen sinken?

Die Inflation liegt in Europa immer noch über der Marke von zwei Prozent, ab der die EZB von stabilen Preisen spricht. Zu weit wird sich EZB-Chefin Lagarde mit Senkungsankündigungen deshalb wohl nicht aus dem Fenster lehnen. Experten erwarten eher, dass sie sich abhängig von den Inflationsdaten von Quartal zu Quartal hangeln wird. Blackrock spricht deshalb von einer „Zinswende light“. Insgesamt könnte der Leitzins so in Europa bis ins Frühjahr 2025 auf drei Prozent fallen, erwartet zum Beispiel die Commerzbank. Das wäre eine spürbare, aber keine besonders rasante Herabsetzung – mit der die EZB auch die Amerikaner wohl nicht komplett unterbieten würde, die erst später im Jahr mit dem Abwärtstrend beginnen dürften. Wird die Zinsdifferenz zu den USA nicht zu groß, halten sich auch die Folgen für den Euro in Grenzen. Die Commerzbank rechnet bis Jahresende mit einer Abwertung um etwa vier Prozent auf 1,04 Dollar.

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