Inflation geht weiter zurück

von Redaktion

Der Preisdruck auf die Verbraucher in Deutschland lässt nach. Im Juni sank die Inflation deutlich. Auch Lebensmittelpreise legten unterdurchschnittlich zu.

Beim Einkauf spüren viele Deutsche die Inflation immer noch stark. Zwar hat der Preisauftrieb bei Lebensmitteln zuletzt nachgelassen, seit 2020 sind die Nahrungsmittelpreise aber um 30 Prozent gestiegen. © Patrick Pleul/dpa

Wiesbaden – Die Inflation in Deutschland lässt wieder nach. Im Juni lagen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, nach 2,4 Prozent im Mai, wie das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Zahlen in Wiesbaden mitteilt. Die Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie – die sogenannte Kerninflation – beträgt demnach 2,9 Prozent. Während sich vor allem Dienstleistungen verteuerten, wurde Energie günstiger. Gemessen am Vormonat Mai legten die Preise nach Angaben der Statistiker um 0,1 Prozent zu.

Der Ökonom Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) nannte den Anstieg im Mai einen Ausreißer. «Der Abwärtstrend bei der Inflation ist intakt und hat sich im Juni nun wieder durchgesetzt.“ In den kommenden Monaten sei mit einem weiteren leichten Rückgang der Inflation zu rechnen.

Ifo erwartet weiteres Abebben der Inflation

Das Münchner Ifo-Institut erwartet nach einer aktuellen Umfrage unter Unternehmen zu ihren Preisplänen ebenfalls, dass die Inflation zurückgeht und im August unter zwei Prozent fällt. „Daher dürfte die Inflationsrate ihren Rückgang langsam fortsetzen und im August erstmals seit März 2021 unter die Zwei-Prozent-Marke sinken“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Zwar sind die extrem hohen Inflationsraten der vergangenen beiden Jahre Geschichte. Im Jahresschnitt erwarteten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation in Deutschland auf 2,3 Prozent – nach 5,9 Prozent 2023. Doch zuletzt verlief der Rückgang zäh. Noch im Mai hatte die Teuerung erstmals in diesem Jahr wieder an Tempo gewonnen, vor allem wegen teurerer Dienstleistungen. Volkswirte verwiesen auf gestiegene Löhne, die zu Preiserhöhungen von Unternehmen führen können. Zudem spüren Verbraucher beim Einkauf von Lebensmitteln weiter kräftig gestiegene Preise. Nahrungsmittel haben sich in den vergangenen Jahren im Schnitt um mehr als 30 Prozent verteuert, zeigt eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2024. Sie lag der „Wirtschaftswoche“ vor.

Sinkt die Inflation in Deutschland wie auch im Euroraum insgesamt, gäbe das der Europäischen Zentralbank im Jahresverlauf Spielraum für weitere Leitzinssenkungen. Die EZB peilt eine Inflationsraten von zwei Prozent als Zielmarke an, bei diesem Wert spricht sie von stabilen Preisen. Sie hat im Juni erstmals seit der Inflationswelle im Währungsraum die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt.

Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das bremst den privaten Konsum, der eine wichtige Stütze der Konjunktur in Deutschland ist. Gewerkschaften versuchen, die Preissprünge mit hohen Tarifabschlüssen auszugleichen. Auch steigen die Renten deutlich: Die Bezüge für mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland legen zum 1. Juli um 4,57 Prozent zu.

Ukraine-Krieg löste Teuerungswelle aus

Auf längere Sicht aber ist die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern wegen der Inflation der vergangenen Jahre gesunken. Zwar wuchs das mittlere Haushaltseinkommen nach Angaben des Statistischen Bundesamts von 2022 auf 2023 um 5,1 Prozent, die Teuerungsrate lag aber bei 5,9 Prozent. Das zeigen jüngste Daten, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Behörde abgefragt hat. Vergleicht man die Jahre 2021 und 2023, ist die Lücke noch größer. „Die Deutschen sind deutlich ärmer geworden“, schloss die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht aus den Zahlen. Die Inflation hatte sich nach Russlands Angriff auf die Ukraine Anfang 2022 rasant beschleunigt, weil Energie und in der Folge auch Produktion und importierte Waren viel teurer wurden. Die EU hatte Ölimporte aus Russland eingeschränkt und weitere Sanktionen verhängt. Moskau wiederum stoppte den Gasexport nach Deutschland über die Nord-Stream-Pipelines.

Inflation in Bayern bei 2,7 Prozent

Die Inflation in Bayern lag im Juni bei 2,7 Prozent. Damit verharrt sie auf dem Niveau des Mai, wie das Landesamt für Statistik bekannt gab. Damit war die Inflationsrate im Freistaat spürbar höher als im deutschen Durchschnitt. Im Freistaat verteuerte sich unter anderem leichtes Heizöl überdurchschnittlich stark. Sein Preis stieg um 8,9 Prozent. In Bayern heizt fast jeder dritte Haushalt mit Öl, deutschlandweit ist es nur jeder fünfte. Das dürfte sich auf die Teuerung ausgewirkt haben. Auch im Bildungswesen in Bayern war der Anstieg mit 9,6 Prozent überdurchschnittlich. Bei Gaststätten und Beherbergungsdienstleistungen waren es 7,0 Prozent, bei den Wohnungsnebenkosten 4,8 Prozent. Die Nettokaltmieten stiegen im Freistaat im Schnitt um 2,6 Prozent – minimal unterhalb der allgemeinen Inflation.

Lebensmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich mit 1,9 Prozent unterdurchschnittlich. Haushaltsenergie insgesamt verbilligte sich sogar um 2,5 Prozent, obwohl auch das stark gestiegene Heizöl in diesen Bereich fällt. Rückgänge bei Gas oder Strom glichen seinen preistreibenden Effekt offenbar aus.

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