Handwerkskammern feiern 125-Jähriges

von Redaktion

Die Kammern sind das schlagende Herz des bayerischen Handwerks. Ihre Aufgabe ist die Selbstverwaltung der Betriebe – und die ist eigentlich jahrhundertealt. Die bayerischen Handwerkskammern, wie wir sie heute kennen, entstanden vor genau 125 Jahren.

Die erste oberbayerische Handwerksmesse fand 1949 in München statt.

1953 entstanden die modernen Handwerkskammern mit der Meisterpflicht. © HWK Mittelfranken

1899 wurden die bayerischen Handwerkskammern gegründet. © HWK Mittelfranken

München – Die meisten Handwerker kennen ihre Kammer vor allem über die Gesellen- und Meisterprüfung. Doch die Verbindungen leisten noch viel mehr: Sie wachen über das Lehrlingswesen, schaffen hochwertige Ausbildungsangebote und repräsentieren ihre Betriebe gegenüber Politik und Gesellschaft. Die bayerischen Handwerkskammern tun dies seit genau 125 Jahren. Der Grundgedanke der handwerklichen Selbstverwaltung ist aber weit älter.

Bereits im Mittelalter regelten die Zünfte, wie viele Handwerker eines Gewerks in einer Stadt arbeiten durften und unter welchen Standards produziert wurde. Es war Wettbewerbs- und Qualitätskontrolle. Sie sollten sicherstellen, dass das Einkommen und Ansehen der ansässigen Handwerker nicht durch auswärtige Konkurrenz, Pfuscher oder minderwertige Waren geschädigt wurde. Gleichzeitig sollte garantiert werden, dass Nachwuchshandwerker eine anerkannte Ausbildung erhalten.

Diese Strukturen gingen im 19. Jahrhundert mit der zunehmenden Liberalisierung der Wirtschaft verloren, berichtet Franz Xaver Peteranderl, Präsident des bayerischen Handwerkskammertages gestern beim Festakt zum 125. Geburtstag. Eine „verfehlte Handwerks- und Gewerbepolitik“ hatte im Kaiserreich zu einer „Zersplitterung der Handwerkslandschaft geführt und die handwerklichen Qualifikationsstrukturen zerstört“, so Peteranderl. Gemeint ist die 1869 eingeführte Gewerbefreiheit, die es jedem erlaubte, Lehrlinge auszubilden, und damit das jahrhundertealte Gefüge der Zünfte durcheinanderbrachte.

Das betrachteten offenbar auch die Zeitgenossen nicht als großen Erfolg. Um die Selbstorganisation der Handwerker zu stärken, änderte Wilhelm II., der letzte Kaiser des Deutschen Reichs, 1897 die Gewerbeordnung und erlaubte die Bildung von Innungen. Der Aufgabenkatalog ähnelte dem heutigen bereits stark: Die Innungen sollten das Gemeinwesen stärken, Standards für die Lehrlingsausbildung festlegen, Schulen errichten, Prüfungen veranstalten und – zu dieser Zeit notwendig – Sozialversicherungen einrichten.

1899 ordnete das bayerische Innenministerium die Gründung der bayerischen Handwerkskammern an. Bis April 1900 entstanden in ganz Deutschland 71, nach Bezirken gegliederte Kammern. Eine der ersten großen Regulierungsmaßnahmen war der sogenannte kleine Befähigungsnachweis. Lehrlinge anleiten durften nur noch jene, „die sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, das 24. Lebensjahr vollendet und eine Meisterprüfung bestanden haben“.

Mit der Machtergreifung der Nazis verloren die Handwerkskammern im Zuge der Gleichschaltung ihre Selbstverwaltung. Gleichzeitig wurde der große Befähigungsnachweis eingeführt: Nur wer die Meisterprüfung hatte, durfte einen Betrieb führen.

Die Kehrtwende folgte 1948 nach der Befreiung: In Bayern führte die US-Militärregierung wieder die totale Gewerbefreiheit ein, die Kammern verloren ihre öffentliche Funktion. Dennoch gründete sich noch im selben Jahr der bayerische Handwerkskammertag als Dachorganisation. Eine der wichtigsten Funktionen bestand darin, den vielen jungen Menschen nach dem Krieg eine sinnvolle Ausbildung zu beschaffen. In dieser Zeit entstehen erste Bildungszentren. Diese Tradition hat sich gehalten, die Kammern sehen hochwertige Ausbildungsangebote als eine ihrer Kernaufgaben.

Offiziell entstanden die Handwerkskammern, wie wir sie heute kennen, 1953: Die deutsche Handwerksordnung legte die Kammern in ihrer heutigen Struktur fest und führte gleichzeitig erneut die Meisterpflicht für niedergelassene Handwerker ein. Diese gilt in einigen Gewerken bis heute.

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