Der Flieger von ERC soll Verletzte schneller retten als Krankenwagen. © ERC
Ottobrunn – Lilium, Volocopter, City-Airbus – Es gibt viele Entwicklungen fürs elektrische Fliegen. Nun ist ein weiteres Gerät am Start: ERC stellte gestern einen elektrisch betriebenen Krankentransporter vor.
Noch ein Start-up mit holpriger Finanzierung? Nein, hinter ERC steht ein erfahrenes Unternehmen, das beispielsweise neue Flugzeuge bis an die Grenze des physikalisch Möglichen bringt. Der Industrie-Dienstleister IABG. Alle Airbus-Modelle mussten die Strapazen der IABG-Strukturtests bestehen, bevor sie in die Luft durften.
Nun also ein eigenes Fluggerät. Eines, das noch keinen Namen hat. Ein eVTOL. Das Kürzel steht für elektrische Fluggeräte, die elektrisch starten und landen können. Das Können auch andere. Der Unterschied liegt im Einsatzzweck. ERC vergleicht den Konkurrenten Volocopter mit einem Kleinwagen, Lilium mit einer Oberklasse-Limousine und das eigene Produkt mit einem Kleintransporter. Einen, der Kranke und Verletzte transportieren soll. „Er ist dreimal schneller als ein Rettungswagen“, sagt David Löbl, der Chef des Unternehmens. „Und das zu einem Drittel der Kosten eines Rettungshubschraubers.“
Die Reichweite beträgt 190 Kilometer, die mögliche Geschwindigkeit im Vertikalflug knapp über 200 km/h. Der neue Krankentransportflieger soll weder Rettungswagen ersetzen noch Hubschrauber. Er soll Kranke und Verletzte schnell dorthin bringen, wo sie die optimale Versorgung bekommen.
Etwa Patienten mit Schlaganfällen oder Herzinfarkten, die in hoch spezialisierte Krankenhäuser gebracht werden, wo ihre Chancen auf Genesung deutlich besser sind, erläutert Professor Peter Biberthaler, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie im Klinikum rechts der Isar. Die Medizin habe in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. „Doch erfolgreich kann das nur sein, wenn ausreichend trainiertes Personal zur Verfügung steht“, sagt er und: „Der Faktor Zeit spielt bei der qualitativen Versorgung von Notfallpatienten eine überragende Rolle.“
Biberthaler war Ideengeber für das Projekt. Dabei half ihm der kurze Dienstweg innerhalb der Technischen Universität München (TUM). Er fragte seinen Kollegen Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik, ob sich bestehende elektrische Luftfahrzeuge für diesen Einsatzzweck ausrüsten lassen. Die Antwort war ein klares Nein.
Die medizinische Ausstattung ist gegenüber den fliegenden Intensivstationen in Rettungshubschraubern abgespeckt. Sie reicht aber, so Biberthaler für 90 Prozent aller Fälle aus. Wichtiger sind 450 Kilogramm Zuladung. Genug für Pilot, Patient und Notfallmediziner.
Noch heuer soll der elektrische Krankentransporter abheben. Bei den ersten Flugtests als Drohne, erst später bemannt. Rund fünf Jahre dauert es bis zur endgültigen Zulassung. Das Fluggerät wird dann zunächst in der Region Unterallgäu fliegen. Später in Bayern, Deutschland, und weltweit. Bayern wartet dringend darauf. „Insbesondere in ländlichen Bereichen kommt dem schnellen und effizienten Transport von Kranken und Verletzten eine entscheidende Bedeutung zu“, sagte Gesundheitsministerin Judith Gerlach. MARTIN PREM