Vor allem Solarparks neigen dazu, gleichzeitig viel Strom einzuspeisen. © Harry Koerber/Imago
Berlin – Die Erneuerbaren Energien sind keine Nische mehr: Sie stellen inzwischen mehr als die Hälfte des deutschen Stroms. Weil besonders Solaranlagen meist gleichzeitig einspeisen, übersteigt das Angebot aber inzwischen immer öfter die Nachfrage und lässt die Marktpreise abstürzen. Weil die Verbraucher technisch bisher kaum auf die fallenden niedrigen Preise reagieren können, versagt der Markt – und dem Staat entstehen hohe Kosten. Die Ampel-Regierung will die Kosten mit Wettbewerb senken und dafür auch Wind- und Solarkraftwerke an den Markt bringen. Privathaushalte sind nicht betroffen.
■ Das Problem
Die Kosten für die Förderung der Erneuerbaren tragen seit Kurzem nicht mehr die Verbraucher, sondern der Staat. Für erstere ist das gut: Trotz hoher Großhandelspreise, zahlen sie effektiv weniger für neue Stromverträge als 2019. Die Kosten für die Erneuerbare-Energien-Förderung belasten aber den Bundeshaushalt, dieses Jahr mit rund 20 Milliarden Euro. Die Kosten entstehen, wenn die Großhandelspreise für Strom unter der Einspeisevergütung liegen. Dem will die Ampel einen Riegel vorschieben, wie aus einem Strategiepapier hervorgeht, das den Haushaltsentwurf für 2025 begleitet: „Der Ausbau neuer EE soll auf Investitionskostenförderung umgestellt werden (eigener Kapazitätsmechanismus), insbesondere um Preissignale verzerrungsfrei wirken zu lassen“, heißt es im Papier. Tobias Federico vom Beratungshaus Montel Analytics erklärt, was gemeint ist: „Heute ist die Produktion von Erneuerbarem Strom durch das Förderregime getrieben. Für jede eingespeiste Kilowattstunde wird ein fester Preis bezahlt. Das war anfangs sinnvoll, um Investoren Sicherheit zu geben.“ Doch inzwischen ist vor allem Solarenergie weit ausgebaut. Wenn alle Anlagen gleichzeitig einspeisen, sinken die Großhandelspreise immer öfter gegen null oder werden sogar negativ, weil es zu wenig Nachfrage gibt. „Durch die Einspeisevergütung wollen Erzeuger die erzeugte Strommenge maximieren, haben aber keinen Anreiz, auskömmliche Marktpreise zu erzielen“, fasst Federico zusammen. Die Konsequenz: Der eingespeiste Strom ist teilweise nichts wert, muss aber trotzdem bezahlt werden, das ist die angesprochene Marktverzerrung. Diese belastet den Staatshaushalt.
■ Wettbewerb als Lösung
Das soll sich in mehreren Schritten ändern: „Kurzfristig werden wir die Förderung bei negativen Preisen für Neuanlagen grundsätzlich bereits ab dem 1. Januar 2025 aussetzen“, heißt es bei der Bundesregierung. Kleine Anlagen sind nicht betroffen, weil sie technisch nicht ansteuerbar sind. Mittelfristig soll die Einspeisevergütung bei neuen Anlagen ganz durch einen Kapazitätsmarkt ersetzt werden. Tobias Federico: „Das bedeutet, ein Projektierer bekommt Summe X Euro dafür, dass er einen Solarpark baut. Die reicht aber nicht, dass sich die Anlage rentiert“. Der Erzeuger müsste den Strom so am freien Markt verkaufen, dass er eine möglichst hohe Nachfrage deckt und höhere Preise verlangen kann. Damit dürfte die Bedeutung von Batteriespeichern steigen. Produziert der Solarpark Stromüberschüsse im System, würde das durch negative Preise abgestraft. „Der Betreiber wird damit zum preissensiblen Erzeuger, wie die Gaskraftwerke es heute schon sind“, sagt Tobias Federico. „Langfristig wird das dazu führen, dass wir kaum noch Null- und Negativstrompreise sehen.“ Das sei aber eine Gratwanderung: „Der Investitionsanreiz muss groß genug sein, damit Anleger trotz der hohen Zinsen gern in Erneuerbare investieren. Gleichzeitig muss die Förderung so niedrig sein, dass der Betreiber den Strom zu attraktiven Preisen vermarkten muss, damit die Anlage rentabel ist.“ Parallel will die Bundesregierung bald die ersten wasserstofffähigen Gaskraftwerke ausschreiben. Auch hier wird es voraussichtlich ein Kapazitätsmechanismus. Laut dem Vergleichsportal Verivox würde die Umlage hierfür jeden Haushalt ein bis drei Euro im Monat kosten. Beide Systeme würden dann mit ihrer Erzeugung am freien Markt konkurrieren.
■ Flexibilität
Das Problem der Stromüberschüsse wäre wahrscheinlich keines, wenn Verbraucher die Chance hätten, auf günstige Marktpreise zu reagieren. Ein Beispiel: Allein 8 Millionen der heute rund 50 Millionen Autos in Deutschland könnten als E-Auto die gesamte installierte Wind- und Solarleistung von rund 160 Gigawatt aufnehmen. Damit Verbraucher Marktüberschüsse erkennen, bräuchte es aber internetfähige Stromzähler, sogenannte Smart Meter. In Deutschland sind sie aber fast nicht verbaut. Das ist ein politisches Versäumnis: In anderen Ländern wie Italien ist die Abdeckung nahe 100 Prozent. Der Mangel an Smart Metern verhindert technisch, dass kleine Stromerzeuger- und verbraucher am Markt teilnehmen.
Dafür plant die Ampel zwei Schritte: Ab 2027 sollen auch deutlich kleinere Solaranlagen – ab 25 Kilowatt Leistung – ihren Strom selbst vermarkten müssen. Das bedeutet: Sie bekommen keinen pauschalen Fördertarif mehr, sondern müssen in einer Ausschreibung bestehen. Dafür will die Ampel den Smart-Meter-Einbau vorantreiben: Die Selbstvermarktung von Strom und die Steuerung der Anlagen will man „konsequent entbürokratisieren, digitalisieren und spätestens zum 1. Januar 2026 massengeschäftstauglich ausgestalten“.